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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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Maastricht-Disziplin und die Entdeckung finanzpolitischer Vernunft würden Wirkung zeigen. Angesichts der zurückhaltenden Konjunktur in Europa, erst recht in Deutschland, hatten die Unternehmen sowieso kaum eine Chance, Kostensteigerungen an die Verbraucher weiterzugeben. Nach meiner Meinung würden darüber hinaus die Globalisierungstendenzen weltweit der Schlange »Inflation« grundsätzlich das gefährliche Gift nehmen. Selbst politisch bedingte Maßnahmen, wie zum Beispiel die jüngste Erhöhung der deutschen Mehrwertsteuer, würden die Preisdisziplin nur in Maßen gefährden können. So konnte die Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt nur in wenigen Fällen auf die deutschen Verbraucher abgewälzt werden.
    Wenn also in Deutschland kein völliger Sinneswandel in der Finanzpolitik eintrat, der im Übrigen wohl auf den entschiedenen Widerstand der politisch unabhängigen Europäischen Zentralbank stoßen würde, war auf lange Sicht die Gefahr gering, mit steigenden Zinsen eine wiedererwachende Inflation bekämpfen zu müssen. Gänzlich ausschließen konnte man sie natürlich nie.
    Niedrige Zinsen, verbunden mit extrem niedrigen Rohstoffpreisen, und kostensenkende Umstrukturierungsprogramme würden auch in den nächsten Jahren deutschen Konzernen Möglichkeiten bieten, deutliche Gewinne zu erzielen. Nach der durch die jüngsten Krisenjahre erzwungenen Schlankheitskur waren die deutschen Industriekonzerne fit wie ein Turnschuh für den internationalen Wettbewerb im kommenden Euroland. Unerwartet kräftigen Lohnkostensteigerungen in Deutschland und höheren Energiekosten bei einem vorzeitigen Ausstieg aus der deutschen Kernenergie konnten die international tätigen deutschen Unternehmen durch Verlagerungen ihrer Produktionsstätten ins benachbarte Ausland und durch den Bezug billigen Atomstroms aus Frankreich entgehen. Das kommende Euroland bot also ungeahnte Möglichkeiten. Vielleicht würde es ja auch einen überbordenden Reformeifer in Deutschland dämpfen.
    |112| Von dieser Seite her musste man also keine Angst haben um die Zukunft der großen deutschen Aktiengesellschaften. Insofern war die Gelassenheit der Börsianer im Hinblick auf einen Regierungswechsel in Bonn verständlich.
    Aber schon aus mathematischen Gründen würden die jährlichen Ergebnisse weniger dynamisch wachsen, als das in den letzten Jahren – insbesondere nach der Krise – möglich war. Beim Marsch zum Gipfel wird die Luft halt immer dünner, wird es immer schwieriger, draufzusatteln.
    Ein weiteres, wahrscheinlich das wichtigste Argument für weiter steigende Aktienkurse blieb die offenkundig politisch nicht lösbare Krise der gesetzlichen Rentenversicherung. In wenigen Jahren würde, nach Ansicht namhafter Rentenexperten, das gegenwärtige System endgültig an seine Grenzen stoßen. Wer dann als Rentner seinen gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten wollte, würde an einer privaten Altersvorsorge nicht vorbeikommen, denn gesetzliche und betriebliche Altersversorgung würden dafür nicht mehr ausreichen. Trotz aller beschwichtigenden Verlautbarungen der verantwortlichen Politiker wussten die jungen Menschen, die nach dem praktizierten Umlageverfahren als Erwerbstätige für die Renten der aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen aufkommen müssen, schon 1998 nur allzu gut, dass sie für ihre eigene künftige Altersversorgung selbst verantwortlich waren. Den Generationenvertrag würden nämlich die jungen Bundesbürger, so die Expertisen, spätestens dann aufkündigen, wenn wegen der steigenden Lebenserwartung angesichts der gegenwärtigen Altersstruktur jeder Erwerbstätige nach dem Umlageverfahren grob gerechnet für einen Rentner würde aufkommen müssen. Und dies würde, so die seinerzeitigen statistischen Berechnungen, in rund zwanzig Jahren der Fall sein. Also mussten die jungen Bundesbürger schon jetzt die finanziellen Voraussetzungen für ihre Altersabsicherung selber schaffen.
    Möglichkeiten, dies zu tun, gab es zur Genüge, aber ein herausragendes Instrument privater Altersvorsorge war für mich neben dem Investmentfonds und der in Deutschland hochgeschätzten Lebensversicherung ganz gewiss die Aktie, zumal die Renditen der festverzinslichen Wertpapiere wohl auf lange Sicht eher dürftig bleiben |113| würden. Auch den Lebensversicherungsgesellschaften würde es schwerfallen, ohne ein stärkeres Engagement am Aktienmarkt die Renditen zu erzielen, die die Versicherten erwarteten. Dass folglich in den nächsten Jahren private

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