Greifenmagier 1 - Herr der Winde
sie glitt vom Rücken der Greifin und lief über den Sand zu Bertauds Pferd. Die Männer schreckten von ihr zurück und gaben ihr den Weg frei, doch sie schien das nicht zu bemerken. Dann ging sie neben Bertauds Ross her und erwiderte den Blick des Reiters mit treuherzigen, nicht menschlichen Augen. Hätte sie nicht eindeutig die Fähigkeit besessen zu sehen, hätte er sie für blind gehalten.
»Ja?«, fragte sie.
Bertaud bemühte sich um einen neutralen Ton. »Eskainiane Escaile Sehaikiu?«
»Ja, Eskainiane.« Ihre Stimme verweilte auf diesem Namen, als rezitierte sie ein Gedicht. Es war im Grunde keine Menschenstimme mehr, obwohl Bertaud auch nicht genau hätte sagen können, worin der Unterschied lag. Sogar die Schritte des Mädchens wirkten leichter als früher, als würde sie mit dem nächsten oder übernächsten Schritt in die Luft aufsteigen. »Eskainiane Escaile Sehaikiu ... er wird sie finden. Ich denke sogar, dass er sie schon gefunden hat. Wisst Ihr ...«, sagte sie ernst und tätschelte den Hals des Pferdes, »Ihr könnt Eskainiane vertrauen. Er ist offenherzig und ... nicht direkt freundlich ...«
»Edelmütig«, schlug Bertaud vor.
»Ja, edelmütig. Er wird ... ah!« Sie erklärte in einem anderen Ton: »Ich glaube, er hat uns Kairaithin geschickt.«
Der Greifenmagier näherte sich diesmal mit langem, langsamem, ruhigem Flug, der ihn lässig über die Kolonne der Menschen hinwegtrug, bis er schließlich landete und in Menschengestalt neben Iaors Pferd herging. Kairaithin warf noch nicht einmal einen flüchtigen Blick auf Bertaud, der sich daraufhin genötigt sah, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und eine heftige, extrem törichte Anwandlung von Eifersucht niederzuringen.
»Hochverehrter Magier«, sagte Iaor zu Kairaithin und nickte ihm zu.
Kairaithin reagierte mit einem knappen Lächeln. »Eine Schlacht findet statt«, berichtete er. »Beguchren Teshrichten ist beim Arobarn, und beide stehen mit der Hauptmacht ihres Heeres vor der Stadt, die man Minasfurt nennt.«
»Minasfurt?«, entfuhr es Kes. Sie sprach die Worte wie jemand, der sich nur von ferne an die Stadt der eigenen Kindheit erinnert und jetzt erzählt bekommt, sie läge gleich hinter der nächsten Wegbiegung.
»Eles hat ihn gestellt?«, fragte Iaor, dessen Stimme nun einen gänzlich anderen Tonfall hatte. »Und die Schlacht tobt jetzt?«
»Dann müssen uns die Greifen erneut helfen«, sagte Bertaud, der sich darum bemühte, dass seine Stimme völlig neutral klang.
Kairaithin wandte sich ihm schnell zu. »Ich habe die Kaltmagier vernichtet, die man hier gegen uns ins Feld geschickt hatte. Doch außerhalb dieser Wüste kann ich mich Beguchren nicht stellen. Und möchtest du, dass wir außerhalb unseres Ortes der Macht zuschlagen - dort, wo unser Feuer zu Asche verwandelt wird und wir Soldaten gegenüberstehen, die mit kaltem Stahl bewaffnet sind? Mit Bögen, zu dem Zweck hergestellt, Kreaturen des Feuers zu töten? Wir würden vernichtet werden! Ist das etwa dein Wunsch?«
»Wir haben nicht genug Männer, um einem weiteren Heer entgegenzutreten, das so groß ist wie das erste ...«, meinte Iaor. »Und unsere Männer sind von der Hitze erschöpft, während die des Arobarn noch ausgeruht sind? Hochverehrter Magier ...«
»Sie werden uns helfen, mein König«, erklärte Bertaud entschieden und starrte in feurige schwarze Augen.
Kes sah von ihm zu Kairaithin. Der Blick verriet deutlich ihre Neugierde und Besorgnis.
Der Greifenmagier schaute sie nicht an. Seine Aufmerksamkeit ruhte, heiß wie die grausame Wüste, ganz allein auf Bertaud. »Ich finde einen Weg«, versicherte er dem Fürsten, »wenn du mir so weit vertraust und nichts selbst unternimmst.« Die Stimme des Greifen verriet keinen Zorn und strafte so den Zorn in seinen Augen und seinem Herzen Lügen: Er bemühte sich, wie Bertaud wusste, mit größter Anstrengung um einen neutralen Ton. Das war wahrscheinlich das Nächste, was einer öffentlichen Bitte von Kairaithin ähnelte; mehr konnte man von ihm nicht erwarten.
Bertaud zögerte. Er konnte sich kein größeres Pflichtversäumnis gegenüber Iaor und Farabiand vorstellen, als wenn er es dem Arobarn ermöglichte, Minasfurt zu überrennen und dann ohne weitere Gegenwehr bis Terabiand an der Küste vorzustoßen. Und er glaubte nicht, dass Iaor irgendeine reelle Chance hatte, den Arobarn mit gerade mal tausend von der Hitze geschwächten Soldaten aufzuhalten.
Dennoch konnte er sich zur gleichen Zeit kein größeres
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