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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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Flammen nachzog. Sie zuckte vor dem Bild zurück.
    Neben ihr bewegte sich der verletzte Greif. Der Atem rasselte in seiner Kehle. Seine Augen waren blind, dachte Kes, denn sie waren voller Schatten.
    Kes blinzelte. Sie blinzelte aufs Neue, schloss dann die Augen und wandte das Gesicht zum Himmel. Fürst von Feuer und Luft. König der Greifen. Sein Herz schlug unter ihren Fingerspitzen. Sein Name klopfte im Rhythmus ihres Herzens. Sie sagte, ohne dabei zu verstehen, woher ihre eigene Gewissheit kam: »Warum liegt er im Schatten? Er braucht Licht.«
    Der Magier führte eine Handbewegung aus, und der Fels über ihnen zersplitterte, stürzte seitlich weg und regnete in kleinen Brocken weit den Hang hinunter. Die Sonne strömte herab. Kes dachte an den feurigen Pfeil, der auf sie herabschoss, und diesmal zuckte sie nicht zusammen. Vielmehr tat sie etwas, das sich anfühlte, als riefe sie nach ihm.
    »Ja«, sagte Kairaithin mit leidenschaftlicher und triumphierender Stimme.
    Vielleicht war es nur ein Bild - aber der Pfeil schien herabzulodern und mit einer beinahe körperlichen Erschütterung in Kes einzudringen. Ihr geistiges Bild von dem Pfeil, der sie traf, war so eindringlich, dass sie nach Luft schnappte. Sie glaubte zu spüren, wie etwas Scharfes ihr Herz durchbohrte. Sie erlebte einen schneidenden Augenblick der Agonie, der aber sofort ein Gefühl von grimmiger Befriedigung und einer seltsamen Ganzheit folgte, als hätte sie ihr gesamtes Leben darauf gewartet, dass dieser Pfeil aus Licht und Wärme in ihr einschlug. Sie fühlte sich von Feuer erfüllt. Doch es fühlte sich nicht wie Macht an - sondern wie Vollendung.
    Kes schloss die Augen und hob die Hände der Sonne entgegen. Sie formte ihre Hände zu seiner Schale und empfing darin das Sonnenlicht, das heiß und schwer wie Gold war. Dann öffnete sie die Hände wieder, um das Licht wie eine Flüssigkeit zu vergießen. Sie lauschte im Pochen des eigenen Blutes nach dem Namen des Greifen. Kiibaile Esterire Airaikeliu. Geschöpf aus Feuer und Blut. Gebannt schaute sie in die Sonne, senkte den Blick und starrte in die Augen des Greifen. Sie sah ihn als heil und ganz, blinzelte und blinzelte dann erneut, ihre Augen erfüllt von Wärme und Licht.
    Unter ihren Händen wurde der Puls, der so schnell gegangen war, gleichmäßig und langsamer.
    Der König der Greifen bewegte den Kopf und betrachtete sie aus Augen, die nicht mehr blind waren, sondern klar und wild. Die Wunden waren verschwunden. Als er sich umdrehte, um in die Hocke zu gehen und sich dann aufzusetzen, waren seine Bewegungen fließend und mühelos. Als er mit dem scharfen Adlerschnabel nach Kes hackte, geschah dies so schnell wie Licht, das über Gestein floss.
    Kes hätte sich niemals rechtzeitig wegducken können. Tatsächlich versuchte sie nicht einmal, dem Greifenschnabel auszuweichen. Sie kniete in der Sonne und starrte in die grimmigen goldenen Augen, benommen wie ein Kaninchen unter dem Blick des Adlers - benommen nicht minder von dem, was sie getan hatte, als von der unerwarteten Gewalt. Sie sah Licht heftig auf diesem scharfen Schnabel glimmen, als dieser auf ihr Gesicht zufuhr.
    Der golden-kupferne Greif schob den eigenen Schnabel blendend schnell dazwischen, und dabei entstand ein Geräusch, als krachte Gebein auf Gebein. Der König der Greifen wandte dem mit Kupferfiligran Gezeichneten die Schulter zu und streckte sich, wobei sich die Muskeln kraftvoll unter dem lohfarbenen Fell der Hinterpartie bewegten. Dann breitete er die mächtigen Schwingen aus und schüttelte seine Federn, bis jede von ihnen ihre richtige Lage wieder eingenommen hatte. Das Gefieder breitete sich wie ein Gobelin aus Gold und Bronze und Schwarz hinter ihm aus. Er stieß einen scharfen, schrillen Schrei aus, erfüllt von etwas, das für Kes wie Freude schien, wenn es auch nicht die Art von Freude war, wie ein Mensch sie empfinden mochte. Es war etwas Seltsameres und Härteres als irgendein menschliches Gefühl.
    Kairaithin hatte sich nicht gerührt, aber er lächelte jetzt. Der mit Kupferfiligran gemusterte Greif legte den Kopf in den Nacken und stieß einen Schrei aus - den gleichen wie der König, aber einen halben Ton höher. Der König fuhr mit den Schwingen nach vorn und dann abwärts, fing den heißen Wind ein und sprang unvermittelt in die Luft. Der heiße Wind seiner Schwingen peitschte Kes' Haare rings um ihr Gesicht und riss einen roten Staubwirbel hoch, der nach heißem Gestein und Feuer roch. Flackernde

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