Greifenmagier 1 - Herr der Winde
Feuerfetzen erwachten im Wind der Schwingen zum Leben, und die feurigen Funken wurden zu Gold, während sie sich im Sand verstreuten.
Der andere Greif wartete noch einen Augenblick lang. Ich bin Eskainiane Escaile Sehaikiu, sagte er zu Kes, und seine Stimme loderte strahlend an den Grenzen ihres Bewusstseins entlang. Wenn du einen Namen wählen möchtest, der in der Dunkelheit brennt, denke an mich, Menschenfrau. Dann wandte er sich an Kairaithin: Ich gestehe ein, dass deine Forderungen richtig waren: Du hattest recht damit, uns ins Land der Menschen zu führen, und du hattest recht damit, nach einer jungen Menschenfrau zu suchen, deren Zaubergabe kurz vor dem Erwachen steht.
Kairaithin senkte den Kopf, drückte damit Bestätigung und Zufriedenheit aus.
Der kupferne Greif breitete wie ein Feuerstoß die Schwingen aus und rauschte zum Himmel hinauf, um dem König zu folgen.
Kairaithin hielt Kes die Hand hin. »Noch mehr sind verletzt. Ich zeige sie dir.«
»Werden sie alle versuchen, mich umzubringen?«, fragte Kes mit bebender Stimme. Sie fühlte sich sehr seltsam, und das lag nicht nur an der unerwarteten Grausamkeit des Greifenkönigs. Sie fühlte sich leicht und warm, aber es war irgendwie keine behagliche Wärme. Ihr schien es, als bräuchte sie nur aufzustehen, und der heiße Wüstenwind ergriffe sie und wehte sie davon über den roten Sand; ihr schien es, als hätte sie sich auf eine grundlegende Weise von der Erde losgelöst. Sie ergriff jedoch Kairaithins Hand und gestattete ihm, ihr auf die Beine zu helfen.
»Einige womöglich.« Der Magier ließ ihre Hand los, legte den Kopf auf die Seite und warf ihr einen Seitenblick zu, und diese Haltung erinnerte seltsam an die eines Vogels. Nach kurzer Unterbrechung fügte er hinzu: »Fühle dich nicht gekränkt, Frau! Dies hier sind keine Geschöpfe deiner Art. Eskainiane Escaile Sehaikiu hat dir seinen Namen genannt, und er ist nicht der Geringste unter uns. Möchtest du dem König nicht seinen Stolz zugestehen? Ich werde dich beschützen, wenn es nötig sein sollte. Kommst du nun mit?« Er reichte ihr erneut die Hand.
Aber diesmal ergriff Kes nicht die angebotene Hand des Magiers. Sie sah ihn wortlos an und erwiderte seinen Blick. Sie saugte die heiße Wüstenluft ein, die auf der Zunge nach heißem Messing schmeckte. Sie dachte an einen roten Greifen mit schwarzen Augen. Rote Schwingen, stark von schwarzen Streifen durchzogen, peitschten durch ihr Blickfeld. Kairaithin, dachte sie. Anasakuse Sipiike Kairaithin. Sein Name pulsierte in ihrem Blut wie ihr eigener Herzschlag.
»Nein«, sagte der Magier kurz und bewegte die Hand. Eine Dunkelheit senkte sich auf Kes' Blickfeld wie der Schatten einer mächtigen Schwinge, und der Rhythmus in ihrem Blut verblasste zusammen mit dem Licht. Kairaithins Schatten sah sie an; die schwarzen Augen lachten. »Du könntest mächtig sein«, erklärte der Magier; erneut schwang diese raue Erheiterung im Tonfall mit. »Jedoch bist du noch jung. Es wäre nicht klug von dir, mich herauszufordern, Frau. Denke daran, dass ich nicht dein Feind bin!«
Kes sah ihn an. Die schwarzen Augen erwiderten ihren Blick mit absoluter Selbstsicherheit. Sie verrieten ebenso wenig eine Spur von Kränkung, wie es seine strenge Haltung tat. »Wirst du mein Freund sein?«, fragte sie mit nicht ganz fester Stimme. Zum ersten Mal hatte sie gewagt, den Greifen mit dem vertraulichen Du anzusprechen.
Langsam zeigte er ein Lächeln - ein strenger Ausdruck jedoch, der keine Verwandtschaft mit dem Lächeln eines Menschen verriet.
»Kairaithin«, sagte Kes und kostete dieses Wort.
Er veränderte die Haltung und wandte den Blick ab. Sein Gesicht verschloss sich ihr, und er drehte sich und zeigte ihr die Richtung, in die er sie führen wollte. »Komm, Frau, sieh dir die übrigen Verletzten an.«
Kes ging ihm folgsam nach. Sie fragte sich, wer in aller Welt so verwegen gewesen war, eine Attacke auf Greifen zu unternehmen. Mit Pfeilen aus Eis und üblem Trachten. Hatte sie nicht gehört, dass manche der Erdmagier in Casmantium eine Zauberkraft der Kälte und des Eises einsetzten? Und dies besonders gegen Greifen taten, um sie von den Ländern der Menschen fernzuhalten? Solche Magier fertigten vielleicht Pfeile aus Eis an, mutmaßte sie.
Greifen hausten jedoch von jeher in der Wüste nördlich Casmantiums - warum sollten casmantische Magier gerade jetzt diese Kreaturen attackieren? Waren die Greifen zuvor nach Süden gezogen und hatten die Städte der
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