Greifenmagier 1 - Herr der Winde
Sprache zu sprechen, die Bertaud glaubte, letztlich verstehen zu können, wenn er sich nur hart genug anstrengte. Vorläufig ... brachte sie nur seine Gedanken und seinen Mut aus dem Gleichgewicht. Er versuchte, sich darüber klar zu werden, ob der Mann das mit Absicht tat oder ob es nur eine seltsame Auswirkung der Wüste war, aber es gelang ihm nicht.
»Du bist ein Greif«, erklärte Daiane.
Die vertrauten Menschenworte wirkten irgendwie überraschend, schienen eine Bedeutung über das hinaus auszudrücken, was Bertaud verstand. Die alte Frau stand aufrecht, aber ihre Haltung drückte mehr als bloße Standhaftigkeit aus. Sie zeigte eine Starre, deren Ursprung in einer Feindseligkeit lag, die Bertaud erschreckte. Es war keine Angst. Das hätte er verstanden. Ihre Gefühle schienen jedoch noch stärker und gefährlicher.
Es hatte allerdings den Anschein, dass die Feindseligkeit der Magierin nicht von ihrem Gegenüber erwidert wurde. Ein Lächeln glomm in den machtvollen Augen des Mannes und umspielte einen Augenblick später auch die schmalen Lippen. »Ich habe nicht den Wunsch, dein Feind zu sein, Erdmagierin. Zügele deine Empfindlichkeit. Hast du noch nie die Abneigung zwischen Erde und Feuer erlebt? Sie übt einen starken Zwang aus, ich weiß, aber du brauchst ihr nicht nachzugeben, wenn du nicht möchtest. Ich versichere dir: Es ist möglich, diese Instinkte zu beherrschen -«
Kopfschüttelnd unterbrach ihn Daiane mit einer Stimme, die rau von Anstrengung war. »Ich weiß, dass ihr gegenüber den Geschöpfen der Erde feindselig eingestellt seid und diese Haltung unveränderbar ist. Ich weiß es. Wenn ihr nicht unsere Feinde sein möchtet, kehrt in euer Land des Feuers zurück.«
»Das können wir nicht.«
Die Frau starrte ihm ins strenge Gesicht. »Dann sind wir Feinde.«
Wartet!, wollte Bertaud sagen. Wartet! Das geht viel zu schnell. Er fand jedoch einfach die Stimme nicht. Er glaubte, die Stimme des Wüstenwinds käme ihm über die Lippen, sobald er zu sprechen versuchte.
Das angespannte Lächeln wurde grimmig. »Wenn du das so möchtest, dann werden wir Feinde sein«, erklärte der Mann. Oder, besser gesagt, der Greif.
»Wartet!«, brachte Bertaud schließlich hervor, aber die Stimme versagte ihm sofort wieder. Der machtvolle Blick fing seinen ein, und er stellte fest, dass er ihm nicht ausweichen konnte.
»Mensch«, sagte der Greif. Es war eine Anerkennung, und es war noch etwas mehr. »Wie lautet dein Name?«
Einen schlimmen Augenblick lang dachte Bertaud, dass er vielleicht die Sprache verloren hatte. Ein Reflex des Stolzes stärkte ihn jedoch, und er richtete sich auf und fand endlich die Stimme wieder. »Bertaud, Sohn von Boudan.« Mit Mühe gelang es ihm, in einem leicht ironischen Tonfall zu reden: »Fürst von Farabiand, Herr des Deltas.« Und dann fügte er den Titel hinzu, der ihm der kostbarste war: »Ratgeber von Iaor Daveien Behanad Safiad, dem König von Farabiand. Und wie nennt man dich?«
»Kairaithin«, antwortete der Greif mit dem grimmigen, strengen Humor, der so gar nicht dem eines Menschen ähnelte. »Wenn du möchtest. Sipiike Kairaithin. Anasakuse für diejenigen, die denken, mir nahezustehen. Sollen wir Feinde sein, Mensch?«
Nachdem Bertaud die ersten Worte gesprochen hatte, stellte er fest, dass es ihm leichter fiel zu reden. Allerdings nur ein wenig leichter. Er schüttelte heftig den Kopf und versuchte, durch den hohen heißen Wind hindurchzulauschen, der ihm das Denken erschwerte. »Bist du es ... bist du es, der mir das zufügt?«
Die Ausdrucksstärke dieses schwarzen Blicks ging zurück, und an seine Stelle trat Neugier. Der Mann legte fragend den Kopf auf die Seite, eine auf seltsame Weise nicht menschliche Geste. »Ich füge dir gar nichts zu; das versichere ich dir. Eure Erdmagierin wüsste es, wenn sich das Feuer in ihrer Gegenwart übernähme. Ich habe mich euch jedoch nicht genähert, um euch in feindseliger Absicht anzugreifen. Ich habe mich euch nur in den Weg gestellt, um zu reden.«
»Macht euch etwas zu schaffen? Etwas anderes? Was ist denn los?« Daiane musterte Bertaud konzentriert aus schmalen Augen und in einer Haltung, die ausdrückte: Was immer es ist, der Greif trägt daran die Schuld, und er lügt.
Bertaud glaubte jedoch, dass der Greif die Wahrheit sprach. Also war diese seltsame Verschwommenheit im Kopf gewiss eine Auswirkung der Wüste. Er schüttelte erneut den Kopf und unterband eine weitere Frage Daianes. Er bemühte sich um einen klaren
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