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Grenzen der Sehnsucht

Grenzen der Sehnsucht

Titel: Grenzen der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Kraemer
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sind da noch diejenigen, die eher passiv sind und einfach nur kommen, weil sie jemanden kennen lernen wollen. Häufig sind sie unpolitisch oder sogar stockkonservativ.“
    Und die dritte Gruppe?
    „Das ist der gepiercte Spice-Girl -Typus mit eingefärbten Haarsträhnen. Viele von denen haben eine Kreditkarte von der Großmutter im Portemonnaie, gehen gerne zu Technopartys und sind Drogen gegenüber auch nicht unbedingt abgeneigt.“
    Immerhin eine Sache gibt es jedoch, die alle drei gemeinsam haben: „Alle suchen den Traumprinzen. Und fast alle tun sich schwer damit, dem überhöhten schwulen Szene-Ideal, dessen Erwartungen niemand genügen kann, selbstbewusst gegenüberzutreten.“
    Dieses Selbstbewusstsein zu entwickeln ist eines der Ziele der Kuckuckseier. Daran arbeiten sie nicht nur im politischen und sozialen Engagement, sondern auch durch gemeinsame Freizeitaktivitäten.
    An diesem Abend ist Kino angesagt. Sommersturm, der inzwischen zum Kult gewordene Coming-out-Film mit Robert Stadlober in der Hauptrolle. Er spielt einen Jungen, der im Sommercamp plötzlich entdeckt, dass er in seinen besten Freund verliebt ist, und kaum, dass er damit zu hadern anfängt, gesellt sich auch noch eine offen schwule Rudergruppe aus Berlin dazu, die sich Queerschlag nennt.
    Der Kinosaal in der Nähe des Hauptbahnhofs ist bis auf den letzten der ungefähr siebzig Plätze ausverkauft, kaum einer im Publikum zählt mehr als 25 Jahre, abgesehen von dem Betreuer und mir.
    Und ausnahmslos alle Kuckuckseier sind am Ende der Vorstellung begeistert.
    Hinterher bei Burger King plappern alle ganz aufgedreht durcheinander.
    Einer hat ihn schon zum fünften Mal gesehen, diesmal hat es ihn aber geärgert, dass das Publikum an den falschen Stellen gelacht habe.
    Ein anderer sagt: „Ich hab ihn erst zum zweiten Mal gesehen, aber ich glaub, ich muss noch ein drittes Mal reingehen. Das lief ja genauso ab wie bei meinem Coming-out, als ich mich in meinen besten Freund verliebte, der damit gar nicht umgehen konnte.“
    Ein fast schon filmtheoretisch durchreflektiertes Urteil fällt Hendrik, 19 Jahre alt, der gerade sein Abitur gemacht hat: „Mir hat gefallen, dass die Schwulen mal nicht so klischeehaft dargestellt wurden. Das heißt, es gab schon Klischees, aber noch nie wurden so viele unterschiedliche schwule Typen in einem Film gezeigt: Der Muskelmacho zum Beispiel, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit protzt, Heten zu knacken. Und der sensible Naturbursche, der von dem ständigen Gerede über Sex angenervt ist und sich die Achselhaare nicht rasiert. Und der Hauptdarsteller natürlich, der sein Coming-out noch gar nicht hatte und erst mal gar nicht schwul sein will. Das war alles relativ realistisch.“
    Hendrik stammt aus Essen. Da sein Freund hier in der Stadt lebt und arbeitet, verbringt er öfter mal ein paar Tage in Düsseldorf.
    Wie war das eigentlich bei seinem Coming-out?
    „Bei mir lief das alles über das Internet“, erinnert er sich. „Ich war 14, von schwulen Gruppen oder Kneipen hatte ich nicht die geringste Vorstellung. Meine ersten Erfahrungen habe ich alle über Kontaktforen und Chatrooms gemacht. Die lassen sich ja recht einfach und schnell finden, wenn man die entsprechenden Wörter in eine Suchmaschine eingibt. Bei den meisten Foren geht es zwar nur um Sex, aber es gibt auch Ausnahmen. Ich stieß damals auf einen Chatroom, der sich Club der Rosa Dich ter nannte. Dort habe ich erst mal eine Reihe von Kontakten geknüpft. Ohne jemandem persönlich zu begegnen.“
    Eine komplett virtuelle schwule Sozialisation?
    Hendrik grinst, als er mein Erstaunen bemerkt. „Genau. Mit allem Drum und Dran. Da musste ich auch erfahren, dass es Faker gibt, die sich zehn Jahre jünger machen oder Fotos verschicken, auf denen sie gar nicht selbst abgebildet sind.“
    Mit seinem ersten Lover hat Hendrik erst mal wochenlang gechattet und telefoniert, bis sich beide zum ersten Mal begegnet sind.
    „Er war aus Berlin, und als er mich besuchen kam, verbrachten wir drei Tage lang in meinem Zimmer.“
    Und was haben seine Eltern dazu gesagt?
    Hendrik grinst wieder. „Meine Eltern hatten nichts dagegen, die waren tolerant, aber ich habe denen schon ganz schön viel zugemutet.“
    Aus der Affäre ist damals allerdings nichts geworden. Der Typ hat ihn abblitzen lassen. Trotzdem schwört Hendrik auf das world wide web. Denn dort hat er seine erste große Liebe schließlich doch noch kennen gelernt. Das war nun vor zwei Jahren, und noch

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