Grenzen der Sehnsucht
Vergleich zu den Roten oder den Blauen Funken, die bereits seit Jahrhunderten Geschichte schreiben.
Die Legende will es, dass sich am elften November – dem alljährlichen Eröffnungsdatum der närrischen Saison – im Jahr 1995 ein paar Homo-Jecken zusammentaten, um den ersten schwulen Karnevalsverein zu gründen. Nur wenige Jahre später waren sie aus dem bunten Treiben in Köln schon nicht mehr wegzudenken.
Wer nun glaubt, dass es den Rosa Funken nur um Spaß und Schunkeln geht, liegt ganz falsch. Nein, es ist ihnen auch ein Anliegen, die Gesellschaft zu verändern, wie es in einer ihrer Pressemitteilungen heißt. Ganz im Ernst: Schwules Leben soll als Bestandteil des Kölner Karnevals für alle Welt selbstverständlich und sichtbar sein.
Im Umkleideraum des Ehrenfelder Bürgerzentrums liegt Männerschweiß in der Luft. „Das Outfit ist leider nicht atmungsaktiv“, erklärt mir ein schnauzbärtiger Funke, der sich gerade das Kostüm vom Leib gerissen hat. „Aber immerhin hab ich jetzt herausgefunden, dass man den ganzen Kram bei 30 Grad in der Waschmaschine sauber kriegt.“
Ein anderer Funke mit nacktem Oberkörper in rosa Strumpfhosen nippt an seinem Kölsch und stöhnt: „Meine Güte, war das ein lahmes Publikum!“
Steckenpferdchen und Stiefel werden in Sporttaschen verstaut.
Da kommt der Kommandant der Truppe. Ohne Perücke, Uniform und Dreispitz sieht er völlig anders aus als auf der Bühne. Sagen wir: weniger autoritär. Er macht sogar einen zurückhaltenden, ja fast schüchternen Eindruck. Doch das mag täuschen. Thomas Spolert ist nämlich einer der Gründer der Rosa Funken.
Und nicht nur das. Mit aus der Taufe gehoben hat er einst auch den Kölner Lesben- und Schwulentag – die kommunalpolitische Szene-Vertretung der Stadt, die seit einigen Jahren für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Interessen kämpft und den Christopher Street Day veranstaltet.
Zwischen Spolerts Hingabe für den Szene-Karneval und seinem Engagement für die politische Homo-Emanzipation gibt es mehr Gemeinsamkeiten, als man im ersten Augenblick annehmen könnte. Begreifen kann man das jedoch eigentlich nur, wenn man die Mentalität der Kölner hinreichend verstanden hat. Denn der „Kölsche Fastelovend“, wie die fünfte Jahreszeit im Dialekt heißt, hat hier eine Bedeutung, die weit über das Vorstellungsvermögen eines unbedarften Besuchers hinausreicht.
„Steuer bedroht Karnevalsvereine“. So lautete in dieser Woche beispielsweise die alarmierende Schlagzeile einer Tageszeitung. Mitnichten eine Skandal-Meldung aus der Bild oder dem Kölner Boulevardblättchen Express. Nein. Der ansonsten so betuliche Kölner Stadtanzeiger war es, der den Hilfeschrei von sich gab, als Aufmacher an vorderster Stelle im Regionalteil. Dabei sollten von der im Rathaus ausgeheckten Vergnügungssteuer auch andere Amüsierbetriebe betroffen werden. Doch nur, was den Karneval berührt, löst in der ganzen Stadt echte Betroffenheit aus und garantiert eine Steigerung der Auflage.
Nur aus diesem Grund haben es die Rosa Funken geschafft, auf der Titelseite des Stadtanzeigers abgebildet zu werden.
„Wir Schwule sind inzwischen Teil des Karnevals“, sagt Spolert mit betont selbstbewusster Attitüde. „Mehr Anerkennung geht in Köln gar nicht. Das hat zur schwulen Emanzipation mehr beigetragen als der Christopher Street Day.“
Dabei war vor wenigen Jahren noch alles ganz anders. Jahr für Jahr ignorierten die Karnevalsoffiziellen die Homo-Narren mit gehörigem Misstrauen. Doch gleichzeitig hatten die bürokratisch verknöcherten Traditionsvereine ein Problem: Das junge Fan-Publikum lief ihnen in Scharen weg.
Ausgerechnet ein CDU-Spitzenpolitiker war es, der als erster die gesellschaftspolitische Dimension des schwulen Karnevals erkannte und für seine Partei zu nutzen wusste. Eigentlich war es nur eine flapsige Bemerkung, die den Stein ins Rollen brachte, geäußert im Jahr 2000 von dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Harry Blum: „Der Festkomitee-Präsident sollte ruhig mal als Funkenmariechen beim schwulen Tanzkorps mitmachen.“
Als Blums Zitat von den Medien verbreitet wurde, reagierten die Rosa Funken prompt und verschickten Einladungen zur Rosa Sitzung – sowohl an den Festkomitee-Präsidenten als auch an den Oberbürgermeister.
„Daraufhin sind hinter den Kulissen die Drähte heiß gelaufen“, erinnert sich Spolert. Und, tatsächlich: Die Einla-dung wurde angenommen, die schwul-lesbische Karnevalsveranstaltung
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