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Grenzen setzen – Grenzen achten

Titel: Grenzen setzen – Grenzen achten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün/Ramona Robben
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macht der Mutter deutlich: Weil sie zu sehr um die eigenen Bedürfnisse besorgt war, ist ihre Tochter nicht satt geworden. Die schroffe Abweisung Jesu gegenüber der Hilfe suchenden Frau schockiert oder irritiert manche Bibelleser. Siehaben das Bild des allzeit zur Hilfe bereiten Jesus vor Augen und tun sich schwer, diese klare Abgrenzung Jesu zu verstehen. Sie erleben die Abgrenzung als Abweisung. Doch die Geschichte zeigt das Gegenteil: Gerade durch die Abgrenzung wird es eine heilsame Begegnung.
Mütter und Töchter
    Indem Jesus sich der bittenden Frau gegenüber abgrenzt, ermöglicht er es ihr, dass sie sich selbst von ihrer Tochter abgrenzt. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter gelingt nur, wenn beide sich gut voneinander abgrenzen können. Natürlich bedeutet das keine absolute Abgrenzung. Die Tochter braucht auch die Mutter, um in der Begegnung mit ihr ihre eigene Identität als Frau zu entfalten. Doch solange die Grenzen zerfließen, kann die Tochter die eigene Identität nicht finden. Die Unklarheit ist wie ein Dämon, der sich auf sie legt. Sie kommt nicht mehr mit sich zurecht. Und auch die Mutter weiß nicht mehr, wie sie mit der Tochter umgehen soll. Sie meint ihrerseits, die Tochter sei vom Dämon besessen. In Wirklichkeit ist es nur die mangelnde Grenze, die zu dem Konflikt zwischen Mutter und Tochter führt. Die Psychotherapeutin Thea Bauriedl nennt die symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Tochter eine „grenzenlose Beziehung“. Wenn die Beziehung zwischen Mutter und Tochter keine klaren Grenzen kennt, weiß die Tochter nicht, wo sie steht. Sie verliert die Beziehung zu den eigenen Gefühlen und macht sich die Gefühle der Mutter zu eigen. Sie kann nicht sagen, was sie eigentlich selber fühlt. Manche Töchter reagieren auf diese Grenzenlosigkeit so, dass sie sich vor der Mutter völlig verschließen. Sie grenzen sich der Mutter gegenüber so stark ab, dass es die Mutter verletzt. Die Mutter fühlt sich dann ihrerseits hilflos gegenüber der Tochter. Sie kommtnicht mehr an sie heran. Und doch beschäftigt sie sich ständig mit ihr. Thea Bauriedl spricht im Blick auf die grenzenlose Beziehung von einer Doppelbindung. Das Kind möchte die Mutter lieben. Aber zugleich denkt sie, die Mutter hätte Angst vor dieser Liebe. Also unterdrückt sie das Gefühl. Diese Doppelbindung macht sie unfähig zu klaren Beziehungen. Sie fühlt sich angezogen von Menschen, möchte ihre Liebe, unterdrückt sie aber zugleich aus Angst, sie könnte den anderen zu nahe kommen und die anderen könnten diese Liebe nicht wollen.
Äußere und innere Abgrenzung
    Grenzenlose Beziehungen zwischen Mutter und Tochter haben für die Tochter fatale Konsequenzen. Eine Frau hatte von ihrer Mutter als Botschaft immer wieder den Satz gehört: „Wenn du nicht brav bist, sterbe ich.“ Die Aufforderung, brav zu sein, war nicht nur eine moralische Forderung. Sie war verbunden mit einer massiven Drohung. Das führte schließlich dazu, dass die Frau innerlich völlig an ihre Mutter gebunden war. Wenn sie einen Fehler machte, bekam sie schon Angst, sie würde dadurch ihre Mutter verletzen und ihren Tod herbeiführen.
    Aber auch die Mutter wird von einer grenzenlosen Beziehung zur Tochter überfordert. Sie kennt sich nicht mehr aus mit ihrer Tochter und kann ihr Verhalten nicht einordnen. Und so versucht sie, die Tochter zu verstehen und ihr noch mehr Nähe zu zeigen. Oft genug verwöhnt sie dann die Tochter, um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Sie meint, sie hätte etwas falsch gemacht in der Erziehung und möchte das jetzt wieder gutmachen. Aber die Verwicklung wird nur immer heilloser. Jesus gibt der Mutter den Mut, sich auch ihrer Tochter gegenüber abzugrenzen. Sie darf auch ihre eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und ihre Grenze achten. Wenn sie sich derTochter gegenüber abgrenzen kann, dann wird auch die Tochter ihren Raum finden, in dem sie selbst aufblüht und ihre eigene Identität findet.

    Viele Töchter leiden darunter, dass ihre Mutter ihre Grenze ständig überschritten hat. Sie durften als Mädchen ihr Zimmer nicht verschließen. Die Mutter hat ihr Tagebuch gelesen. Sie hatten keinen eigenen Bereich, in dem sie sich sicher fühlen konnten. Wenn solche Töchter erwachsen sind, haben sie immer noch den Eindruck, ihre Mutter würde ihnen dreinreden. Sie haben dann auch Probleme, sich gegenüber anderen Menschen oder ihren eigenen Kindern abzugrenzen. Die Unfähigkeit ihrer Mutter, sich abzugrenzen, übernehmen

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