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Grenzgang

Grenzgang

Titel: Grenzgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Thome
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Mit dreißig erreichst du den Gipfel deiner sexuellen Genussfähigkeit.
    Dann hörte sie endlich Schritte im Flur und fühlte sich für einen Moment verlegen, weil sie immer noch splitternackt im Schlafzimmer stand, den BH offen über den Schultern.
    Er hatte sich nicht abgetrocknet, nur ein Handtuch um seine Hüfte geschlungen, und ging etwas breitarmiger als sonst, etwas flacher atmend, den Waschbrettrillen auf seinem Bauch zuliebe.
    »Hilfst du mir?« Sie wandte ihm den Rücken zu und hielt die Haare mit einer Hand zusammen, als trüge sie ein Abendkleid, das sie ihn bat zuzuziehen. Albern, er lachte zu Recht, sagte aber nichts, sondern trat hinter sie in einer Wolke aus Duschbad und Feuchtigkeit. Ein leichtes Klopfen der Erwartung mischte sich in das Kribbeln ihrer Haut. Der BH fiel auf ihre Zehen. EinWassertropfen rann aus seinem Haar über ihre Schulter, gleichzeitig kühl und warm.
    »Meine Mutter wird gleich rufen, weil Daniel Hunger kriegt.« Sie sprach in ihre aufkeimende Lust hinein, verträumt und ohne Überzeugung. Drehte den Kopf hin und her, weil da seine Schulter war, ein paar Bartstoppeln, duschkühle Haut. Ihre Hände tasteten langsam über das Handtuch, dorthin, wo es sich zum Zelt zu formen begann.
    »Steht alles auf dem Tisch. Unten.« Zwischen Tisch und unten leckte seine Zunge über ihr Ohrläppchen, dann standen sie einen Moment vollkommen still. Ihre Brustwarzen zwischen seinen Fingerkuppen, nicht länger wund und Teil der Funktionalität des Muttertiers, sondern die Lustspender von früher, etwas dunkler geworden, größer und umso leichter zu handhaben. Sie hielt die Augen weit offen, sah in den Garten hinaus und über die Dächer des Ortes. Auch die Luft stand still, draußen.
    In seiner Umarmung drehte sie sich um, nahm ihm das Handtuch ab und sagte:
    »Legen wir uns doch hin.«
    Noch einmal erklang Lachen im Garten, dann war ihr Gesicht zu nah an seinem Atem, um anderes zu hören. Zahncreme und Bier, scharf und herb, sie fuhr mit der Zunge hinein und wieder heraus, seinen stoppeligen Hals hinab und begann Wassertropfen aus seinen Brusthaaren zu saugen. Musste ein Lachen unterdrücken. Vielleicht hatte sie auf dem Frühstücksplatz doch eins zu viel getrunken. Sex zwischen Eheleuten war schließlich das Normalste von der Welt, aber genau genommen war es das überhaupt nicht, sondern ein kompliziertes Spiel aus Lust und Gegenlust. Sie hätte ihn gerne gefragt, was er darüber dachte, gerade in diesem Augenblick und mehr, um ihn ein bisschen zu foppen, stattdessen verrieb sie mit der Daumenspitze einen Glückstropfen und nahm seinen Schwanz in den Mund. Seit Neuestem stutzte er sein Schamhaar; eine Maßnahme, die ihr im Ergebnis angenehm, aber in der Motivation unklar war,jedenfalls solange sie darin keine Aufforderung sehen wollte, es ihm gleichzutun. Sie mochte das Gefühl der nackten, festen Kugel in ihrer Hand, in der zwei kleinere Kugeln sich träge bewegten. Sie kauerte sich zusammen, legte ein Ohr auf seine Lenden, hielt ihn nur mit den Lippen fest und freute sich über die glückliche Position seines Schienbeins.
    Ihre Gedanken hingen am seidenen Fäden jetzt, baumelten gegeneinander wie die Fische des Mobiles über Daniels Kinderbett. Fragezeichen lösten sich auf, und nur eine leise Verwunderung begleitete den sich auf ihrer Zunge entfaltenden Geschmack, das Salzig-Glitschige, das sie mit schnellen Bewegungen aus der Falte um seine Eichel kitzelte. Die Verwunderung galt diesem Anschein von Normalität, hinter dem ein Feld von Möglichkeiten lag, eine Art doppelter, aber löchriger Boden, über den man nur deshalb so problemlos hinweggehen konnte, weil man ihn nicht sah. Sie selbst sah ihn ja auch nicht, es war nur eine Ahnung, die sie von früher kannte und die nun zurückkehrte, sozusagen aus dem Exil des Glücks.
    Davon abgesehen hätte sie nicht sagen können, was anders war als sonst. Seine Hände fuhren durch ihr Haar, berührten sie an den Schultern und schienen bedeuten zu wollen, dass er bereit war für den Hauptgang. Und erst als sie seinem sanften Drängen nachgab und ihre Zunge seinen Bauchnabel erreicht hatte, stellte sie fest, dass ihre Lust sich in Erstaunen aufgelöst hatte. Über nichts. Zurück blieb das Bedürfnis, sich neben ihn zu legen und ihm zu sagen, dass Grenzgang in Daniels Sprache ›Gegang‹ hieß. Die drei Tage Revue passieren zu lassen, nicht um ihn zu foppen diesmal, sie hätte sich gerne ihrer Lust hingegeben, aber die war weg. Der Drang zu lachen

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