Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Aber sie waren nicht da.
»Verstehe«, erwiderte Munir. »Habt Ihr die Angreifer schon verhört, Euer Majestät?«
»Nein«, antwortete Jusson. Er nahm den Dolch vom Tisch und vollführte mit ihm einige sehr geschickte Finten. »Wir haben keinen gefunden.«
»Das verstehe ich nicht.« Prinzessin Rajya sah mich an und registrierte offenbar, dass ich keinerlei Kratzer davongetragen hatte. »Habt Ihr sie vertrieben, Euer Majestät?«
»Nein«, wiederholte Jusson und kam mir zuvor. »Der Kampf war bereits vorbei und Hase auf dem Weg zurück zur Burg, als Wir auf ihn trafen.« Er sah die fragenden Gesichtern ringsum. »Ganz offensichtlich haben die Bäume sie vertrieben.«
Die Sorge auf den Gesichtern von Berenice und Lady Margriet verwandelte sich in Entsetzen. » Bäume?«, flüsterte Berenice. »Wie kann das sein?« Unwillkürlich warf sie einen Blick zu den Fenstern, während die Bediensteten und Gäste in der Großen Halle sich zum Schutz gegen das Böse bekreuzigten.
»Die Bäume.« Idwals Gesicht war ausdruckslos. »Sie haben Lord Hase verteidigt?«
»Aber Bäume kämpfen nicht«, gab Prinzessin Rajya zu bedenken. »Oder etwa doch?«
»Im letzten Krieg von Iversterre mit den Grenzlanden haben sie es getan«, erklärte Jusson. »Und dabei geholfen, den kläglichen Rest Unserer Armee zu vernichten, der noch übrig war, nachdem die Faena mit Uns fertig waren …« Er unterbrach sich, und seine Miene verfinsterte sich, als ihm klar wurde, was er gerade vor den Turaliern zugegeben hatte.
»Ich glaube nicht, dass die Vorfälle aus einem alten Krieg, der zu den Zeiten unserer Großväter ausgetragen wurde, im Moment von Bedeutung sind, Sire«, warf auch prompt ein Adliger ein.
»Nicht nur der Großväter«, ergriff Munir die Gelegenheit, bevor Jusson reagieren konnte. »Habe ich recht, Sro Wyln?«
»Allerdings, ich habe im letzten Krieg gekämpft«, erwiderte Wyln gleichgültig. Er legte ein Schwert zurück und nahm das andere vom Tisch. »Ich habe in allen Kriegen gekämpft, die vom Königreich der Menschen angezettelt wurden. Und?«
Jetzt kam Jusson Munir zuvor. »Nichts ›und‹. Denn nichts davon hat etwas mit dem zu tun, was hier passiert ist.« Er legte den Dolch auf den Tisch. »Im Augenblick sind Wir mehr an dem fehlgeschlagenen Hinterhalt gegen Unseren Cousin interessiert. Es scheint, dass Ihr Hüter weit mehr ist als eine Legende, Mearden.«
»Ich …« Lord Idwal strich sich mit seiner zitternden Hand über das Gesicht. »Es scheint so, Euer Majestät.«
»Selbstverständlich bleibt die Frage offen, wer die Angreifer waren«, fuhr Jusson vor. »Trotz der Rätsel der Weisen.«
»Die Seeleute aus Svlet schienen ibn Chause gegenüber nicht gerade freundlich gesonnen zu sein, Euer Majestät«, erklärte ein Adliger.
»Das stimmt«, pflichtete Jusson ihm bei. »Aber sie sind im Verlies der Burg eingesperrt, und selbst wenn man annimmt, dass einige wenige Meardens hervorragendem Burghauptmann entkommen sein könnten: Woher hätten sie wissen sollen, wo sie Hase finden konnten? Nein, das muss jemand gewesen sein, der nicht nur wusste, dass Hase mit dem Suchtrupp unterwegs war, sondern auch, wo .«
Prinzessin Rajya versteifte sich, als sie die Seitenblicke bemerkte, die sich auf sie richteten. »Warum um alles in der Welt sollte ich versuchen, jemanden zu töten, dem ich gerade eine eheliche Verbindung vorgeschlagen habe?«
»Vielleicht ist es jemand, der nicht möchte, dass Ihr heiratet«, meinte ein anderer Adliger.
In dem nun folgenden Schweigen richteten sich die Seitenblicke jetzt auf Berenice.
»Das würde das Fehlen von Leichen erklären«, murmelte Prinzessin Rajya. »Leute, die sich in den Wäldern auskennen, hätten sie leicht wegschleppen können.«
»Nein«, widersprach Berenice und wischte mit einer gereizten Handbewegung Prinzessin Rajyas Anschuldigungen beiseite. »Wir würden unser Haus nicht besudeln, indem wir uns derart des Verrats und der Heimtücke schuldig machten.«
»Das ist die Wahrheit, Euer Majestät«, mischte sich Lord Idwal ein. »So etwas würde unsere hehrsten Prinzipien verletzen. «
»Es würde ganz gewiss etwas verletzen«, erklärte Jusson. »Jedenfalls wurden die Leichen, falls es welche gab, nicht weggeschleppt. Zugegeben, als Wir dort ankamen, war es bereits Nacht, und das Licht des Morgens enthüllt vielleicht eine andere Geschichte; aber nach allem, was Wir gefunden haben, gab es keine Spur, die vom Ort des Hinterhalts weg oder dorthin führte
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