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Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)

Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)

Titel: Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Freeman
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Köstlichkeiten, und eine Weile widmete ich mich ausschließlich der Aufgabe, sie verschwinden zu lassen. Jusson musste bereits gegessen haben, denn er trank nur Tee, während er in einen Feuerkorb starrte und geduldig wartete, bis ich fertig war. Als ich schließlich den Teller sinken ließ, schob er mir die zweite Teekanne zu, und mir schoss ein bestimmter Verdacht durch den Kopf. Offenbar konnte man ihn mir am Gesicht ablesen, denn Jusson verzog spöttisch den Mund.
    »Ja, es ist Laurels Tee. Er sagte, du müsstest ihn ganz austrinken. «
    Ich verkniff mir jeden Widerspruch, goss eine Tasse ein und leerte sie, ungesüßt. Ich unterdrückte ein Schaudern bei dem bitteren Geschmack, schenkte eine zweite Tasse ein und leerte auch sie. Nachdem ich die dritte Tasse gefüllt hatte, nahm ich sie in meine Hände und genoss ihre Wärme. Jusson versenkte den Blick wieder in die Flammen des Feuerkorbs, und nur das Prasseln des Regens auf dem Zeltdach störte die Stille. Nach einer Weile regte sich der König und stellte seine leere Tasse auf den Tisch.
    »In einer geordneten Welt gäbe es immer genug Zeit für das, was man zu tun hat.«
    Ich hatte den Gobelin mit der herbstlichen Jagdszene betrachtet und bemerkt, dass der Hirsch wieder mit den Hunden unter dem Vollmond dahinrannte und sich in den Bäumen keine bedrohlichen Schatten verbargen. Bei Jussons Worten jedoch drehte ich den Kopf und sah ihn an. Er betrachtete mich prüfend.
    »Kannst du sprechen?«, erkundigte er sich.
    Ich dachte einen Moment darüber nach. »Ich glaube schon«, erwiderte ich. Ich dachte weiter nach. »Euer Majestät.«
    Jusson entspannte sich sichtlich. »Gut. Sowohl Laurel als auch Wyln sagten, es wäre durchaus möglich, dass du in irgendeiner Weise durch die Art deines Verschwindens beeinflusst worden wärest, und selbst wenn nicht, dass es noch eine Weile dauern könnte, bis du dich erholst …« Er zuckte mit den Schultern.
    »Wie lange war ich weg?«, wollte ich wissen.
    »Zwei Tage«, antwortete Jusson. »Es ist zwei Tage her, dass du verschwunden bist.«
    Ich war also nicht erst nach Jahren oder Jahrzehnten zurückgekehrt, wie einige Figuren aus den Märchen. Jetzt war ich es, der sich entspannte. Ein bisschen jedenfalls.
    »Laurel und Wyln sagten auch, dass du zurückkehren würdest«, meinte Jusson. »Laurel glaubte, wegen der Treueschwüre, die du geleistet hast …«
    »Ja«, erwiderte ich. »Euer Majestät.«
    »… und Wyln meinte, dass kein Elf jemals von seinen Aspekten verschlungen worden wäre.«
    Ich wollte erwidern, dass ich kein Elf war, überlegte es mir dann jedoch anders. Meine Schwüre und die Verpflichtung, deren Symbol die Feder war, hatten mich zurückgezogen. Aber etwas anderes auch. Als hätte jemand meinen Namen gerufen, so leise, dass ich ihn kaum hören konnte.
    »Offensichtlich spielt es doch eine Rolle, ob man durch vierundsechzig Linien mit einem Elfenkönig verbunden und zudem vom Fyrst adoptiert worden ist, Cousin«, meinte Jusson.
    »Ja, Euer Majestät«, murmelte ich.
    »Wie dem auch sei … Wie ich schon sagte, ich wünschte, wir hätten mehr Zeit«, fuhr Jusson fort, und ließ den Pluralis Majestatis fallen. »Obwohl ich stark vermute, dass wir die Zeit nicht wertschätzten, wenn wir sehr viel davon hätten, und sie nur auf frivole Dinge verschwenden würden.«
    »Mein Pa hat immer gesagt, wenn wir alle Zeit der Welt hätten, würde nichts in der Welt erledigt werden«, antwortete ich. Dann blinzelte ich, nicht nur wegen der Worte, die mir einfach so aus dem Mund gesprudelt waren, sondern auch wegen der Erinnerung, die dabei in mir aufstieg. Ich konnte meinen Pa in seinem Stuhl am Kamin sehen, meinen Pa, wie er wirklich war, nicht den wilden, zügellosen dritten Sohn eines Großen Hauses, wie ihn andere gezeichnet hatten. Nein, mein Pa, der selbst nach einem harten Arbeitstag noch Lachfalten um die Augen hatte, und meine Ma, die er lachend und liebevoll auf seinen Schoß zog.
    »Ich mochte Rafe«, sagte Jusson leise. »Als die Königin starb und ich den Thron bestieg, habe ich ihm und Hilga eine Nachricht geschickt, in der ich sie bat, nach Iversterre zurückzukommen. Er antwortete mir mit einem ablehnenden Brief, schrieb, sie wären glücklich, wo sie wären; den Rest des Briefs füllte er mit Geschichten von seinen Kindern und dem Leben auf seinem Hof.«
    Etwas, das bisher in mir geschwebt hatte, senkte sich plötzlich an seinen Platz. »Das hat er getan?«, fragte ich.
    »Ja«, bestätigte Jusson. »Aus

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