Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Die Große Halle unter uns lag in stillem Dunkel. Ich dachte, Berenice würde die breite Treppe hinabgehen, aber sie bog auf der Galerie zu einer anderen Treppe ab, die zu einem kleinen Durchgang führte. Wir folgten ihr durch ein Labyrinth von Durchgängen und Treppen, hinauf und hinab, während die Luft ständig kälter wurde und immer stärker nach Salz roch. Schließlich, nach einer letzten Biegung, traten wir auf eine Art von Promenade, die ein Stück an der Seite der Burg entlangführte. Ich warf einen Blick über die Zinnen und sah den Wald – ein dunkler Fleck, der den Burghügel umschloss. Weiter unten lag die Stadt, und trotz der späten Stunde brannten dort noch Lichter, einige an Land, einige spiegelten sich im Wasser, und andere schaukelten sacht auf den Schiffen, die im Hafen ankerten. Hinter ihnen erstreckte sich das Meer, der abnehmende Mond und ein Meer von Sternen, die wie strahlende Diamanten darüber schwebten.
Ohne nachzudenken hob ich den Kopf und lauschte dem leisen Summen der Kugel an meinem Ohr. »Sie sind nah …« Berenice sah mich an, und ich verstummte.
»Selbstverständlich. Wir haben hier auch Stürme, die vom Meer herüberkommen«, durchbrach sie mein Schweigen. »Das kann ziemlich aufregend sein, obwohl unsere Wellenbrecher das Schlimmste von der Stadt fernhalten. Das ist kein Vergleich zu dem, was Lord Wyln beschrieben hat.« Sie nahm einem sehr stämmigen Bediensteten das Bündel ab und öffnete es. Darin befanden sich Decken und Umhänge. Sie reichte mir einen Umhang und gab dann Groskin und Ryson, die stumm hinter mir standen, ebenfalls einen. Ich war ganz froh darüber, denn es war sehr kalt. Rasch hüllte ich mich ein.
»In Freston gibt es unglaubliche Stürme«, sagte ich. »Und letzten Winter wurde ein Dorf bei einer Überschwemmung teilweise weggespült. Der Rest wurde verschüttet, als ein Teil des Berges darüber abrutschte.« Wir waren damals auf Patrouille gewesen und hatten den Erdrutsch gehört. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, um bei der verzweifelten Suche nach Überlebenden zu helfen. Anschließend bargen wir die verschütteten Opfer. Meine Miene verdüsterte sich unwillkürlich, als ich mich an die lange Reihe der Toten erinnerte, die für die Bestattung in Tücher gehüllt worden waren. »Hauptmann Suiden meinte, der Grund für die Flut und den Erdrutsch wäre, dass es früher im Jahr oben auf dem Berg gebrannt hatte, sodass keine Bäume mehr da waren, die Wasser oder Erde zurückhalten konnten.« Ich verstummte erneut, als ich die ungläubigen Blicke von Ryson und Groskin aufschnappte, und mir dämmerte, dass möglicherweise Geschichten über Katastrophen im Augenblick nicht sonderlich angemessen waren.
Aber Berenice nickte nur. »Deshalb erlauben wir hier dem Wald, bis an den Rand der Klippen über der Stadt zu wachsen. Papa sagt, dass es für die Verteidigung der Burg zwar besser wäre, die Bäume zu fällen, aber sie verhindern, dass der Fels erodiert. Sollte die Stadt jemals belagert werden, hätten wir große Probleme, die Invasoren daran zu hindern, die Klippen zur Burg zu erklimmen.« Sie schlang sich selbst einen Umhang um die Schultern und gab die anderen ihrer Dienstmagd und den Dienern. Dann nahm sie einen Kienspan aus dem Korb, den der andere Diener trug, zündete ihn an der Kerze an und hielt ihn dann an zwei Feuerkörbe neben dem Tisch und den Stühlen. Die Flammen loderten sofort auf, und Wärme breitete sich aus. »Aber wären die Bäume nicht mehr da«, fuhr Berenice fort und warf den Kienspan in einen der Feuerkörbe, »könnten wir die Burg weder gegen die Zeit noch das Meer verteidigen.«
»Was ist mit dem Hüter?«, erkundigte ich mich, als ich mich an unseren Ritt durch den Wald zur Burg erinnerte und an das Gespräch während meines Bades. »Sie sagten, er würde die Burg gegen Angreifer verteidigen.«
»Der Hüter ist nur eine Legende«, antwortete Berenice abfällig. »Ich verlasse mich lieber auf gute Männer und starke Mauern.«
»Gute Männer und starke Mauern sind immer wichtig«, sagte ich. Dann trat ich an die Zinnen und strich mit der Hand über den festen Stein. »Wurde diese Burg jemals erobert?«
»Nein«, erwiderte Berenice. Sie wies den Diener an, den Korb auf den Tisch zu stellen, öffnete ihn, nahm eine Porzellankanne in einem Teewärmer heraus, ein paar Tassen und Untertassen, Löffel, einen Becher mit Sahne, eine Zuckerschüssel und zum Schluss einen Teller mit Biskuits. Als ich wieder an den Tisch trat, sah ich
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