Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
Miene war ernst. »Dies hier ist eine Burg der Fae, Ivers Sohn, bis hin zu den Reliefs über den Fenstern und den Wandbehängen. Und es ist auch ein verzauberter Wald.«
»Vielleicht ist er verzaubert«, räumte Laurel ein, »vielleicht aber auch nicht. Was auch immer er sein mag, er bildet eine sehr starke Präsenz in einem Land, in dem Eure Kirche solche Dinge für böse erklärt. Doch der Ehrenwerte Mearden, der kein Fae ist und sich außerdem sehr gut mit seinem Kirchenoberen zu verstehen scheint, tut das mit einem Schulterzucken ab und behauptet, es hätte nichts …«
Laurel unterbrach sich, als erneut lautes Würgen aus dem Nebenzimmer drang, und sah zur Tür.
Jusson seufzte. »Kümmern Sie sich um Unseren maßlosen Hauptmann, Meister Laurel«, sagte er. »Wir unterhalten uns später weiter.«
Laurel verneigte sich und verschwand in Javes’ Schlafgemach. Jusson ging mit finsterer Miene zu seinem gekrönten Stuhl zurück, nahm die Tasse mit mittlerweile kaltem Tee und trank. »Es gibt vieles, was wir besprechen müssen«, erklärte er und stellte die Tasse wieder ab. »Aber ich warte damit, bis Javes sich erholt hat. Ein bisschen wenigstens«, setzte er hinzu, als erneut unverkennbare Laute aus dem Schlafgemach drangen. »Morgen jedoch werden wir alle Implikationen und Konsequenzen der Fragen und Enthüllungen dieser Nacht gründlich erforschen.«
»Das werden wir«, murmelte Wyln; Thadro und Suiden antworteten unisono: »Jawohl, Euer Majestät.« Dann legte er seine Hand auf meinen Arm, um mich daran zu hindern zu verschwinden. »Bleibt noch einen Moment, Zweibaums Sohn.«
Gehorsam blieb ich stehen. Wyln wartete, während Jusson und Thadro im königlichen Schlafgemach verschwanden und Suiden in dem Raum, den er mit Javes teilte.
»Ihr habt das Abendmahl ohne Aspekte verlassen«, sagte Wyln, nachdem Suiden die Tür hinter sich geschlossen hatte und Javes’ Würgen leiser wurde. »Und Ihr seid mit zwei Aspekten zurückgekehrt. Ich weiß, dass Ihr den einen gerufen habt. Sagt mir, habt Ihr auch den anderen beschworen?«
»Ja, Ehrenwerter Cyhn «, gab ich zu. »Ich habe das Feuer gerufen. «
»Aus einem besonderen Grund?«, erkundigte sich der Zauberer.
Ich spürte, wie ich erneut errötete. »Ich war … ich hatte mich erschreckt und brauchte Licht, um sehen zu können.«
»Tatsächlich? Aber jetzt seid Ihr nicht mehr erschreckt, also warum schweben immer noch …« Wyln zählte nach. »… vier Feuerkugeln über Euch?«
Ich zuckte mit den Schultern, obwohl meine Verlegenheit stärker wurde. »Ich habe versucht, sie verschwinden zu lassen, aber sie wollen nicht gehorchen.«
»Und warum nicht, Zweibaums Sohn? Was glaubt Ihr?«, wollte Wyln wissen.
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß«, erwiderte ich.
»Und verdammt, wenn Ihr es wissen wollt«, konterte Wyln verärgert.
»Ich will es wissen …!«, fuhr ich hoch, unterbrach mich jedoch, als die Wahrheitsrune auf meiner Handfläche scharf brannte.
»Nein, wollt Ihr nicht.« Wylns Ärger wurde größer. »Eure Gabe ist da, und zwar im Überfluss, aber der Wille fehlt. Und außerdem weigert Ihr Euch zu begreifen, dass Ihr in dieser Angelegenheit keine Wahl habt.«
»Weil die Aspekte machen, was sie wollen, wenn ich es nicht tue?«, erkundigte ich mich und warf den Kugeln, die um mich herumschwebten, einen überraschend bitteren Blick zu. »Na und? Das machen sie sowieso.«
»Zum Teil«, räumte Wyln ein. »Aber hauptsächlich deshalb, weil Ihr der seid, der Ihr seid. Ihr seid ein geborener Magus, Hase. Nichts, was Ihr sagt oder tut, kann daran jemals etwas ändern. Und wenn Ihr Eure Gabe ablehnt, lehnt Ihr Euch selbst ab. Die Aspekte widersetzen sich nicht Euren Wünschen und Bedürfnissen. Sondern sie agieren, weil Ihr sie nicht formuliert. «
Ich wollte widersprechen, sagen, dass weder die Tatsache, dass ich ein geborener Magus war, noch meine Wünsche und mein Verlangen oder mein Wille etwas damit zu tun hatten, aber irgendwie bekam ich die Worte nicht aus dem Mund. Offenbar stand mir meine Verwirrung ins Gesicht geschrieben, denn Wylns Miene wurde sanfter. »Ihr habt etwas Schreckliches erlebt«, sagte er leise.
»Nicht nur ich«, gab ich leise zurück, als ich endlich die Sprache wiederfand. Ich rieb meine Handfläche an meinem Wappenrock. »Ehrenwerter Cyhn.«
»Ja, das stimmt. Nicht nur Ihr.« Er nahm meine Hand, drehte sie um und betrachtete die Rune und die Symbole, die im Licht der Kerzen schimmerten. Nach einer Weile seufzte
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