Grenzlande 3: Das Vermächtnis (German Edition)
er melodisch und ließ meine Hand los. »Eines Tages werde ich Euch über meine erste Begegnung mit einem Verdammten berichten. Aber wir haben Eure Ausbildung lange genug aufgeschoben. Wie wir bereits besprochen haben, werden wir sie morgen früh wieder aufnehmen.«
Mein Magen zog sich abrupt zusammen. »Aber wir sind hier zu Besuch …«
»Der Ehrenwerte Idwal wusste genau, wer oder was Ihr seid, als er Euch eingeladen hat«, unterbrach mich Wyln. »Und sollte er es aus einem unerfindlichen Grund vergessen haben, habt Ihr ihn heute Abend nachdrücklich daran erinnert. Jedenfalls bezweifle ich sehr, dass eine Lektion in Magiekunde ihn aufregen würde. Vor allem, da wir sie im Gemach von Ivers Sohn und nicht in aller Öffentlichkeit abhalten werden.«
»Die Ehrenwerte Berenice sagte, sie hätte Pläne für morgen.« Ich griff verzweifelt nach Strohhalmen.
»Dann werden wir bei Tagesanbruch beginnen«, erwiderte Wyln. »Schlaft gut, Zweibaums Sohn. Ich möchte, dass Ihr frisch und munter seid.«
Erneut mussten sich meine Gedanken auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, denn seine Miene wurde noch weicher.
»Ihr habt bereits zwei Aspekte beschworen, Hase. Trotz all Eurer Furcht: Damit ist das Schwerste vorbei. Macht Euch keine Sorgen, denn Erde und Wasser zu beschwören wird genauso einfach sein.«
Er wartete nicht auf meine Antwort, sondern setzte sich in Richtung von Javes’ Gemach in Bewegung. Vermutlich wollte er Laurel von unseren morgigen Plänen berichten. Ich unterdrückte den Drang, wütend aufzustampfen, schnappte mir meinen Stab und ging in mein eigenes Zimmer. Die Schmetterlinge ließ ich auf dem Kaminsims schlafen, meine Luft- und Feuerkugeln jedoch folgten mir. Ich habe keine Angst, redete ich mir ein. Der Grund, warum mein Magen brannte, wenn ich nur an das Gabenwirken dachte, war reine Sorge. Trotz all meiner Erfahrungen der letzten Monate war ich immer noch ein Zauberlehrling, und angesichts der Ereignisse während unseres kurzen Aufenthaltes in Mearden hätte es gerade noch gefehlt, dass ich die Kontrolle über meine Aspekte verlor.
Oder dass man mir die Kontrolle entzog.
Während ich mich noch wunderte, woher dieser Gedanke wohl gekommen sein mochte, ging ich an dem Gobelin mit der Jagdszene vorbei. Mir fiel ein Schimmern ins Auge. Ich wurde langsamer und sah hin. Der Hirsch betrachtete mich, und die Jagdhunde saßen vor seinen Hufen. Wir starrten uns an, ich schockiert, der Hirsch und die Hunde dagegen nachdenklich, und einen kurzen Moment stieg mir der Geruch von Herbstwald und Laub in die Nase. Ich trat vorsichtig zurück, drehte mich um und flüchtete durch den Bogengang in eine kleine Vorkammer, in der einige schmale Pritschen für meine Leibwächter oder Bedienstete standen. Jeff und Arlis waren Gott weiß wo, aber Bertram lag da, dick eingepackt und schlafend auf einem Strohsack auf dem Boden. Nachdem ich gewartet hatte, bis mein Herz wieder normal schlug, ging ich vorsichtig um ihn herum und betrat mein Schlafgemach. Finn wartete bereits auf mich.
Allein.
Ich blieb in der offenen Tür stehen. Wenn man drei ältere Brüder hatte, bedeutete das, dass man sich immer ein Schlafzimmer teilen musste, solange man jung war. In meiner kurzen Zeit als Schüler von Magus Kareste hatte ich zwar ein eigenes Zimmer gehabt, doch dann war ich weggelaufen und in die Armee eingetreten. Die war berüchtigt für ihre Massenschlafsäle. Und selbst als ich zu den Königstreuen versetzt wurde, hatte ich mein Zimmer nicht nur mit meinen beiden Leibwächtern, sondern auch mit Laurel geteilt. Jetzt jedoch waren Jeff und Arlis bei den anderen Königstreuen und den zu ihnen verlegten Soldaten, während Laurel alle Hände voll mit Javes zu tun hatte.
Ich würde das erste Mal seit dem Angriff des Dämons allein schlafen.
Als ich Finns fragenden Blick bemerkte, betrat ich das Zimmer und lehnte meinen Stab an eine Wand, bevor ich meinen Wappenrock auszog. Finn war sofort an meiner Seite, um mir den Rock und das Hemd abzunehmen. Ich ließ mir Zeit mit dem Ausziehen und wusch mich in aller Ruhe mit einem Schwamm und dem heißen Wasser, das mir der Diener bereitgestellt hatte. Doch bald, viel zu bald, war ich frei von Ruß. In mein Flanellnachthemd und meinen Morgenmantel gekleidet sah ich zu, wie Finn die Decke über die Laken meines Bettes breitete. Es war groß, wie das von Javes, aber das war mein Schlafgemach auch. Es hatte einen Kleiderschrank, einen Waschtisch, ein Sofa und zwei Stühle, und es war immer
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