Grenzwärts
wir sagen Bescheid.«
»Danke.« Roland legte auf, lief leise wieder zurück in den ersten Stock und flutschte in Julias Zimmer.
Swetlana lag noch immer bäuchlings auf dem Bett und rührte sich nicht.
Roland sah zu ihr rüber.
War sie etwa ohnmächtig geworden? Atmete sie noch? Erschrocken sprang er auf, zog ihr das Kissen vom Kopf.
Swetlana war bei Bewusstsein und blinzelte ihn angstvoll an.
Roland setzte sich zu ihr aufs Bett. Er bückte sich, zog seine Schuhe an. Dann hielt er ihr die Walther PPK unters Kinn.
»Hör zu! Ich nehme dir jetzt den Knebel raus. Wenn du nur irgendeinen Mucks machst, bist du tot, verstanden?«
Swetlana zeigte keine Regung. Nur ihre tränenfeuchten Augen blitzten hasserfüllt.
Er nahm ihr den Knebel aus dem Mund und band ihre Beine los. »Steh auf! Hier rüber, mach schon!« Er schob sie vor sich her ans Fenster.
Ihre Hände waren noch immer mit der Kordel zusammengebunden. Roland riss das Laken vom Bett und hängte es Swetlana sorgsam über die Schultern.
»Wir spielen jetzt geklaute Braut«, sagte er grinsend, »das wolltest du doch immer sein, Swjeta. Eine süße kleine deutsche Braut.«
Swetlana schluchzte hilflos. Sie konnte nicht mehr. Sie musste einfach weinen.
»Hör auf zu heulen. Hochzeiten sind was Fröhliches.« Er sah aus dem Fenster. Draußen war es dunkel geworden. Die meisten Geschäfte schlossen um sechs, viel war nicht mehr los auf dem Platz. »Wir warten nur noch auf die Kutsche.«
Roland sah auf die Uhr. Drei Minuten waren um. Tatsächlich kam kurz darauf ein Taxi vom Markt her angefahren und stoppte vor der Pension.
»Okay, los jetzt.« Roland schob Swetlana zur Tür und nahm seine Aktentasche. »Kein Mucks, kein Geschrei, kein Geheule, sonst knallt’s!«
Er öffnete vorsichtig die Tür, spähte in den Flur. Die Luft war rein. Er stieß Swetlana vor sich her auf die Treppe zu.
»Runter! Ganz leise, klar?«
Swetlana zitterte vor Angst. Roland drückte ihr die Waffe hart in den Rücken.
»Jetzt trink mer noch a Flascherl Wein«, drang es jetzt aus dem Restaurant, »holadijahoho, es muss ja nicht das letzte sein …«
Sie hatten die letzte Treppenstufe fast erreicht, als plötzlich die Tür von der Küche aufflog und die Rouché herauskam.
Hastig schlug Roland Swetlana das Laken über den Kopf, sodass sie nicht mehr zu erkennen war.
»Haah«, schrie die Rouché, »du lieber Gott, Herr Paich, jetzt haben Sie mich aber fast zu Tode erschreckt!« Sie atmete erleichtert aus. »Sind Sie das unter dem Laken, Fräulein Latte? Ich hab Sie gar nicht kommen sehen.«
»Tut mir leid, dass wir sie erschreckt haben«, lächelte Roland beruhigend, »aber wir üben hier etwas ein.«
»Geisterstunde ist erst um zwölf«, die Rouché wedelte scherzhaft mit dem Finger, »erzählen Sie’s mir morgen, Sie sehen ja, was hier los ist!« Schon verschwand sie im Keller, vermutlich, um Weinnachschub zu holen.
»Raus jetzt«, knurrte Roland und zog Swetlana mit sich hinaus auf den Johannisplatz.
Das Taxi wartete mit laufendem Motor, und der Fahrer sah sich gespannt nach seinen neuen Fahrgästen um.
»Ah, die entführte Braut«, sagte er, »wohin soll’s denn gehen?«
»Kennen Sie den Baggersee?«
»Wenn Sie das alte Tagebaurestloch meinen, schon«, erwiderte der Taxifahrer. »Wollen es dem Bräutigam wohl besonders schwer machen, was?«
»Der wird schon darauf kommen«, erwiderte Roland. »Nun fahren Sie endlich, bevor er was merkt!«
Der Taxifahrer gab Gas.
Swetlana war kurz vor einem Heulkrampf, der nur von Rolands Pistole in Schach gehalten werden konnte. Entschieden drückte er ihr den Lauf in die Seite, ohne dass es der Fahrer mitbekam. Aber der musste sich sowieso aufs Autofahren konzentrieren.
Dennoch sah er ab und zu in den Rückspiegel. »Kann die Braut auch sprechen?«
»Nee«, erwiderte Roland. »Ist ‘ne Taubstummenhochzeit.«
»Äh«, sagte der Taxifahrer, »Sie machen Witze, oder?«
»Keine Ahnung«, Roland sah aus dem Fenster, »was glauben Sie?«
»Dass Sie Witze machen.«
»Und warum lachen Sie dann nicht?«
»Haha«, machte der Taxifahrer. Er fuhr jetzt schneller, die Landstraße ging fast schnurgerade aus der Stadt heraus. »Warum haben Sie sie denn unter einem Laken versteckt?«
»Das gehört zum Spiel«, erwiderte Roland. »Mehrere Mädchen verschwinden. Aber nur eine ist die Braut.«
»Ach, dann sind noch mehr von diesen verhüllten Schönheiten heute Nacht unterwegs?«
»Davon können Sie ausgehen.«
»Damit niemand dem
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