Grenzwärts

sieht man ja nicht alle Tage. Schmeißt da einer so ‘n teures Auto runter.«
    »Stanko, hab ich gesagt, die Karre ist sicher geklaut«, rief Hotte und sah Schwartz triumphierend an. »Ist sie doch, oder?«
    »Schon möglich«, erwiderte Schwartz. »Wie sah der Mann denn aus?«
    »Wie so einer aussieht, der so ‘n Auto fährt«, sagte Stanko, »deswegen war ich ja der Meinung, dass das Auto nicht geklaut ist.«
    »Und wie sieht jemand aus, der so einen Wagen fährt?« Schwartz zückte sein ledernes Notizbuch und schraubte den Füllfederhalter auf. »Ihrer Meinung nach?«
    »Dunkler Anzug, also so dunkelgrau.«
    »Anthrazit«, nickte Hotte, »das war garantiert Anthrazit.«
    »Und sonst?«
    »Kommissar, wir saßen dahinten!« Hotte deutete zu einer gigantischen Baggeranlage ein paar hundert Meter entfernt. »Und es hat geregnet. Da erkennt vielleicht ‘n Adler noch was, wir dagegen sind froh, wenn wir noch Männlein von Weiblein unterscheiden können, was«, er lachte wie über einen außerordentlich guten Witz, »nicht? Stimmt doch, oder?«
    »Wir haben ja versucht, den Kerl noch zu kriegen«, ergänzte Stanko, »aber bis wir da oben waren, war der Kerl über alle Berge.«
    »Zu Fuß?«
    »Klar.« Stanko und Hotte sahen sich an. »Wie denn sonst? Seine Kiste hat er ja hier entsorgt.«
    »Gut«, sagte Schwartz gedehnt, »wann war das?«
    »Mittags rum«, antwortete Stanko, »wir hatten Pause.«
    »Na schön.« Schwartz verabschiedete sich. »Wenn noch was ist, melden wir uns bei Ihnen. Vielen Dank erst mal.« Er holte sein Funktelefon aus der Jackentasche, um Liliana Petkovic vom Verlust ihres Informanten unverzüglich zu unterrichten – aber diesmal ging es nicht. Auch mit gezogener Antenne und gestrecktem Arm nicht. Das Telefon piepte und meckerte auf dem grünen Display: »Kein Empfang! Außerhalb Sendegebiet! Kein Empfang!«
    »Das kann nicht funktionieren«, rief einer der Braunkohlekumpel, »wir sind hier gut hundert Meter unter Normalnull!«
    Was immer das auch heißen mag, dachte Schwartz. Na, dann bekommt sie die schlechte Nachricht eben etwas später.
    Er steckte das Funktelefon wieder ein und lief zu den Spurensicherern von der  KT .
    »Haben Sie da oben schon einen Mann?«, fragte er und sah hoch zur Abbruchkante. »Ich brauche die Abdrücke. Der soll zu Fuß abgehauen sein.«
    »Wird bereits erledigt.« Die Spurensicherer pinselten eifrig am Wrack rum. »Sind Sie der Schwarze, der den Klaus rausgeschmissen hat?«
    »Ich habe den Klaus nicht rausgeschmissen«, stellte Schwartz klar, »sondern nur suspendiert.«
    »Wessi, was?« Einer der Kriminaltechniker baute sich vor ihm auf.
    »Sachse«, erwiderte Schwartz, »genau wie Sie.«
    »Ich bin in erster Linie Sorbe«, sagte der Kriminaltechniker, »in zweiter Linie Lausitzer, und erst dann kommt Sachsen.« Er zog ein gefaltetes, in Klarsichtfolie gestecktes Papier aus der Innentasche seines Overalls. »Hier! Hab ich Ihnen mitgebracht.«
    »Was ist das?« Schwartz zog das Papier heraus und starrte auf kryptische Tabellen, Zahlen und Vergleichswerte.
    »Die Schriftanalyse, die Sie von uns haben wollten.« Der Kriminaltechniker zeigte ihm ein paar Buchstaben. »Sehen Sie? Das V von ›Verzeiht mir‹. Und dann hier! Die Sache ist eindeutig.«
    »Ja?«
    »Hundertprozentig«, nickte der Kriminaltechniker. »Beide Bögen Papier wurden auf derselben Schreibmaschine geschrieben.«
    Dachte ich’s mir doch. Schwartz steckte die Papiere ein. Na, jetzt geht’s rund!
    »Tobi«, rief er, und winkte den jungen Piontek heran. »Kommst du mal?«
    Tobi trabte heran. »Was gibt’s?«
    »Hast du jemanden, der den Golf zurück nach Görlitz bringt?«
    »Wieso?« Tobi verstand nicht.
    »Weil du bei mir mitfährst«, erklärte Schwartz. »Wir müssen reden.«
    »Über meinen Vater?«
    »Auch über deinen Vater, ja.« Schwartz klopfte ihm auf die Schulter. »Komm!«
    Wenig später saßen sie in der völlig verdreckten Déesse und fuhren nach Görlitz zurück. Wieder regnete es, und die Wischer zogen hartnäckige Lehmschlieren über die Windschutzscheibe, dass man kaum noch die Straße sah.
    »Mistwetter«, fluchte Schwartz.
    »Übermorgen soll’s besser werden«, meinte Tobi. »Kommen noch ein paar schöne Tage, wart’s ab.«
    Schwartz konzentrierte sich auf den Verkehr. Später Nachmittag, die Pendler kamen nach Hause.
    »Also gut«, sagte Tobi nach einer Weile. »Du hast meinen Vater suspendiert. Weil er mit der Witwe eines Selbstmörders liiert ist. Findest du das