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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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nicht eine ziemlich übertriebene Maßnahme?«
    »Nein«, antwortete Schwartz, »denn er ist nicht mit der Witwe eines Selbstmörders liiert, Tobi. Sondern mit der Witwe eines Mordopfers. Trotzdem hat dein Vater die Ermittlungen dazu unbedingt übernehmen wollen.«
    »Er ist ein guter Kriminalist«, beharrte Tobi, als hätte Schwartz das Gegenteil behauptet.
    »Oh ja, das ist er. Ich habe mir die Akten heute noch mal angeschaut, und er hat auch recht ordentlich ermittelt. Trotzdem kommt er zum falschen Schluss. Kuhnts Tod war kein Selbstmord, Tobi.«
    »Davon kann man dich nicht abbringen, was?« Tobi lächelte schief.
    »Ich fürchte nicht, nicht mehr, nein.«
    Schwartz betätigte die Scheibenwaschanlage, aber die Düsen funktionierten nicht. Wahrscheinlich war kein Wasser mehr im Behälter.
    »Was ich zum Beispiel überhaupt nicht verstehe, ist, dass ihr mir gegenüber so getan habt, als wüsstet ihr nichts von Kuhnts Parästhesie. Seiner teilweise gelähmten rechten Hand. Dabei habt ihr entsprechende Unterlagen dazu vom Grenzschutzamt Pirna bekommen und diese auch in euren Akten abgeheftet. Aber in eurem Abschlussbericht kommt nichts mehr davon vor.«
    »Das war für die abschließende Beurteilung des Falles nicht relevant«, erwiderte Tobi.
    »Oh doch, das war es«, widersprach Schwartz. »Das war es sogar sehr. Das war so relevant, dass es in eurem Abschlussbericht gar nicht auftauchen durfte. Weil damit sonst die ganze schöne Selbstmordtheorie gekippt wäre, die ihr doch so dringend brauchtet – so dringend«, setzte er lauter hinzu, »dass ihr sogar einen Abschiedsbrief gefälscht habt!« Er reichte Tobi den »Verzeiht mir!«-Bogen rüber.
    »Das wurde auf eurer Schreibmaschine geschrieben«, regte er sich auf, »im Büro eurer Dienststelle! Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich?«
    Tobi holte tief Luft, als wolle er erregt etwas erwidern. Doch er riss sich zusammen und schwieg.
    »Ich war heute im ›La Habanera‹«, gab Schwartz noch einen drauf, »um das Alibi deines Vaters zu überprüfen. Dabei erfuhr ich, dass es dort eine wüste Schlägerei gegeben hat. Dein Vater hat Kuhnt verprügelt! Wegen dir!«
    »Na und?« Tobi zuckte mit den Schultern. »Deshalb muss er den Kuhnt ja nicht auch ermordet haben.«
    »Nein, er nicht.« Schwartz sah den Jungen neben sich an. »Aber du.«
    »Was, ich?« Tobi wurde knallrot im Gesicht. »Wieso ich?«
    »Du hast kein Alibi für diesen Tag«, antwortete Schwartz ruhig.
    »Was?« Tobi konnte es nicht fassen. »Herrgott, tausende von Leuten haben kein Alibi für diesen Tag.«
    »Tausende haben kein Motiv. Im Gegensatz zu dir, Tobi.« Schwartz blinkte und fädelte sich in den Stadtverkehr von Görlitz ein.
    »Die schöne Laila«, sagte er nachdenklich, »du hast sie sehr geliebt, nicht wahr? Du hast mit ihr einen Tanzkurs besucht. Zusammen mit deinem Vater und dessen Freundin Ursula. Das ist doch toll! Vater und Sohn gehen mit ihren Freundinnen tanzen. Ihr wart sicher sehr glücklich, du und deine Laila.«
    Allmählich dämmerte es, die Straßenlaternen gingen an, und der Oberkommissar schaltete das Abblendlicht ein.
    »Aber plötzlich taucht Jochen Kuhnt auf. Ursulas Ehemann. Nicht, weil er eifersüchtig ist, nein, auch er sucht Abwechslung. – Und landet bei Laila. Er spannt sie dir einfach aus.« Schwartz schüttelte den Kopf. »Wie konnte das nur passieren?«
    »Die hatten uns zum Grillen eingeladen, die Kuhnts«, sagte Tobi leise. »Barbecue, wie es Jochen nannte. Und dann das große Haus, der ganze Reichtum. Der hat ordentlich was aufgefahren. Laila war hin und weg.« Er schnaubte verbittert. »Irgendwann saß ich allein am Grill. Vater war mit Ursula in dem einen Schlafzimmer verschwunden, Jochen mit Laila im anderen. Die hat sich total in den verknallt!«
    »In ihn oder sein Geld?«
    »Keine Ahnung, wahrscheinlich beides«, sagte Tobi. »Sie wollte ihn unbedingt heiraten. Hat von nichts anderem mehr gesprochen. Sie hat sich schon ein Hochzeitskleid schneidern lassen und ihre Flitterwochen geplant!«
    Klar. Das Mädchen wollte Nägel mit Köpfen machen.
    »Dabei hat er sie nur benutzt«, regte sich Tobi auf, »viele leere Versprechungen, aber nichts eingehalten. Er hat Laila behandelt wie den letzten Dreck. Der hat sie nicht geliebt, für den war das nur …« Er überlegte. »… Spaß, eine Abwechslung, mehr nicht.«
    »Und als Laila das begriffen hatte, brach eine Welt für sie zusammen«, nickte Schwartz. »Sie wollte einfach nicht mehr

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