Grenzwärts
Bräutigam einen Tipp geben kann?«
»Unterstehen Sie sich! Wollen Sie die junge Ehe ins Unglück treiben?«
»Passiert das, wenn man verrät, wo die Braut ist?«
»Reiner Aberglaube«, antwortete Roland, »aber wir müssen es ja nicht darauf ankommen lassen. Also sagen Sie ja niemandem was! Sonst gibt’s kein Trinkgeld.«
»Ich dachte ja nur, bevor der arme Mann verzweifelt.«
»Der verzweifelt schon nicht«, winkte Roland ab, »wir haben am Baggersee schon als Kinder gespielt. Da muss er draufkommen, sonst hat er die Braut nicht verdient.«
Jetzt lachte der Taxifahrer wirklich. »Das nenn ich Leistungsdruck!« Er bog rechts ab, der Wagen begann arg zu schaukeln. Der Weg war hier unbefestigt.
»Da vorne können Sie halten!« Roland reichte einen FünfzigMark-Schein nach vorn. »Der Rest ist für Sie. Aber nur wenn Sie nicht petzen!«
»Schon klar«, der Fahrer hielt, »mein Mund ist wie versiegelt. Viel Spaß noch!«
45
SEIT FAST DREI STUNDEN beobachten wir den schäbigen zweistöckigen Flachbau am Rande von Bogatynia. »POLONIA HOTEL«, flimmert es in trüben Neonröhren über dem Eingang.
Direkt davor parkt ein frisch lackierter Kleinbus der DDR -Marke Barkas mit der Aufschrift » KSK JELENIA GÓRA «, was auch immer das heißen soll. Auf dem gegenüberliegenden Parkplatz stehen mehrere Polski-Fiat und eine barock im Chrom glänzende Harley-Davidson sowie ein BMW mit Siegener Kennzeichen und ein fetter Landcruiser.
Als es noch hell war, bin ich mehrmals um das Hotel herumgeschlichen. So lange, bis ich mir eine Art Lageplan im Hirn machen konnte. Sehr komplex ist der allerdings nicht, es gibt nur den einen Eingang vorn und eine Hintertür im Hof. Da wird mindestens ein Dutzend scharfer Hunde gehalten, allerdings in einem abgeschlossenen Zwinger. Ansonsten ist der Hof von einer Mauer und zwei rechtwinklig anliegenden Nebenhäusern begrenzt. Es gibt ein Holztor zu einer Nebenstraße raus, abgeschlossen, aber man kommt rüber. Deshalb habe ich meinen GAZ direkt daneben geparkt, damit wir nachher schnell und unbemerkt wegkommen.
Jule hockt neben mir und fröstelt. Ich streichle ihr über den braunen Anorak, der zwar schön weich ist und sich recht kuschelig anfühlt, aber nicht sehr warm zu halten scheint.
»Ist dir kalt?«
»Ein bisschen«, flüstert sie und zieht sich die Kapuze mit dem Fellrand tiefer ins Gesicht.
»Ist das eigentlich echt?«
»Was?«, fragt sie.
»Na, das Fell an deiner Kapuze«, erwidere ich.
»Ich hoffe nicht«, sagt sie.
Klar, denke ich, für jemanden, der immer pi ßi ist, dürfte echter Pelz ein echtes Problem sein. Die armen knuddeligen Tierchen, die dafür sterben mussten. Brutal abgeschlachtet für Jules Kapuze. Komisch, dass sie’s nicht genauer weiß. Sollte sie beim Kauf des Anoraks etwa nicht darauf geachtet haben? Weil es ihr möglicherweise ganz unkorrekt egal war? Na ja, besser nicht drauf rumreiten, sonst gibt’s gleich wieder Stress.
»Wie lange warten wir noch?«, fragt sie und trieselt ungeduldig ihre Haare.
»Bis es dunkel wird«, antworte ich.
»Es ist dunkel!«
»Ja, aber noch nicht dunkel genug«, erkläre ich ihr und zeige ihr die Straßenlaterne vor dem Hotel. »Wenn die angeschaltet wird, entsteht hier drüben an den Häusern ein Schatten, in dessen Schutz wir unbemerkt zum Parkplatz kommen. Darauf warten wir, capito?«
»Was willst du denn auf dem Parkplatz?«
»Wirste dann schon sehen.«
»Aber wir müssen irgendwie in dieses Hotel.«
»Baby, wir kommen ins Hotel, verlass dich ganz auf mich.«
Jule seufzt. »Und wenn die Laterne kaputt ist? Die anderen sind schon alle an. Nur die nicht.«
Wo sie recht hat, hat sie recht, denke ich. Shit , daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Und ich hätte daran denken müssen, immerhin ist das hier Polen, da ist so einiges Schrott.
Plötzlich rast ein Laster heran und stoppt vor dem Hotel. Ich fasse es nicht. Es ist derselbe Kampfgruppen-Robur, mit dem schon die Mädels aus dem Hurenbus entführt worden sind. Verdammt, geht das jetzt wieder los?
Mehrere Männer sitzen ab, die Bomberjackenträger, klar. Und was mich besonders nervös macht, ist, dass einige von ihnen hektisch mit entsicherten Kalaschnikows herummachen.
»Was ist denn jetzt los?«, flüstert Jule erschrocken.
»Das frage ich mich auch.«
»Da kommt Roland!« Aufgeregt zeigt sie auf seinen schwarzen Porsche, der ebenfalls die Straße herunterkommt und hinter dem Robur stoppt.
Na, jetzt wird sie mal endlich
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