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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Verdammt, die Hunde! Jetzt weiß ich, wozu die da sind.
    Wenn die uns mit Hunden jagen, haben wir keine Chance, denke ich und spüre, wie die Angst in mir hochkriecht. Und sie werden uns mit Hunden jagen. Ganz sicher. Sie werden uns jagen!
    Weiter, immer weiter!
    Die Schulter schmerzt. Ich spüre, wie mir warmes Blut den Arm hinunterrinnt und den Ärmel meiner Bomberjacke von innen durchfeuchtet. Der ganze Arm wird langsam taub, die linke Hand …
    Schneller, denke ich, wir müssen schneller sein als die. Schneller als die Hunde. Blutrünstige, zähnefletschende Bestien. Hoffentlich riechen die nicht das Blut.
    Weiter, nur weiter.
    Mir wird weiß vor Augen, aber ich darf jetzt nicht schlappmachen. Wir müssen weiter, weg hier, schneller sein …
    Hinter uns die Hunde und Russen, die sich über Walkie-Talkie Kommandos zurufen, automatische Waffen im Anschlag.
    Weiter, immer weiter …
    … schneller sein …
    Ich sehe nichts mehr, taumele über einen quer liegenden Baumstamm, stürze, falle.
    Tiefe, schwarze Unendlichkeit umgibt mich. Und ich höre Jule schreien. Hilflos, ganz weit, aus der Ferne. Ein langer panischer Schrei, der immer leiser wird …

46
    SIE SASSEN IM BÜRO  von Klaus Piontek zwischen all den Gummi- und Affenbrotbäumen. Schwartz fand das besser, als den Jungen in irgendeinem kalten Vernehmungsraum zu verhören. Viel fragen musste er sowieso nicht. Es sprudelte aus Tobi nur so heraus. Als müsse er es sich von der Seele reden. Allein zwei Stunden lang hatte er von seiner unglücklichen Liebe zur schönen Laila erzählt.
    Dabei hatte es gar nicht so unglücklich begonnen. In einer Eisbar waren sie sich das erste Mal begegnet, im vorvergangenen Sommer, bei einem Schwedeneisbecher. Laila hatte sich bei ihm erkundigt, ob er wisse, wo es Arbeit für sie gebe in Görlitz. Irgendeinen Sommerjob, sie würde auch putzen. Und Tobi hatte gelacht. Im Görlitz gebe es schon lange keine Arbeit mehr, und sie sei viel zu schön für eine Putzfrau. So ein hübsches Mädchen müsse den Sommer genießen, faulenzen in der Sonne oder ein Eis essen wie jetzt. Ohne Geld kein Eis, hatte sie erwidert und gelächelt. Es war ihr Lächeln, in das er sich verliebt hatte. Ihr wunderschönes Lächeln.
    Sie waren durch die Stadt gefahren und ins Neißetal hinaus, hatten auf der Wiese gelegen und stundenlang über Gott und die Welt geredet. Sie trafen sich oft seitdem, schmiedeten Pläne, fuhren in den Ferien gemeinsam nach Zoppot an die polnische Ostseeküste.
    Im Herbst und Winter ging Laila zurück nach Poznan, dem früheren Posen. Sie studierte dort Germanistik und deutsche Literatur. Deutschlehrerin wollte sie werden, am liebsten in Deutschland.
    Deutschlehrerinnen haben wir genug, sagte Tobi, biete lieber polnische Sprachkurse an.
    Sie schalteten entsprechende Anzeigen, aber die Deutschen lernten lieber Englisch, manche auch Spanisch und Französisch für den Urlaub. Man konnte ja jetzt überall hin. Für die polnische Sprache interessierte sich niemand.
    Und dann lernten sie tanzen. Salsa, das mochte Laila am liebsten. Und die karibische Variante des Tangos, die Habanera. Da passte es, dass es in Görlitz das »La Habanera« gab, eine Schule für lateinamerikanische Tänze. Die Preise für die Kurse waren zwar nach der Wiedervereinigung explodiert, aber wenn sich vier Personen gleichzeitig anmeldeten, gab’s Rabatt.
    Wie wäre es, wenn Vater mitkäme? Der hatte doch eine neue Freundin. Ursula. Es war das erste Mal seit dem tragischen Unfalltod der Mutter, dass Vater wieder eine Freundin hatte, und es tat ihm gut. Mutter war immerhin schon zwölf Jahre tot. Da störte es auch nicht, dass Ursula noch verheiratet war, im Gegenteil. Ihr Ehemann war nicht eifersüchtig und hatte seine eigenen Affären.
    Im vergangenen Sommer hatte er Tobi und seinen Vater sogar zum Barbecue eingeladen, zu einer Gartenparty mit Dixielandkapelle und großem Grill. Natürlich hatte Tobi seine Laila mitgebracht. Und das war ein Fehler.
    Denn Laila war ungeheuer beeindruckt von dem großen Haus der Kuhnts, von all dem Luxus und dem Komfort. Vor allem der beheizte Pool hatte es ihr angetan. Darin schwammen aufblasbare Sessel und Tische, an denen man Champagner trinken konnte. Kuhnt ließ sich nicht lumpen, er brachte Laila immer schwimmend ein neues Glas.
    Am Ende waren alle betrunken, und Tobi war auf einer Luftmatratze eingeschlafen.
    Als er weit nach Mitternacht wieder zu sich kam, waren nur noch wenige Gäste da, die in ein paar Sesseln

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