Grenzwärts
Spurensicherer. »Die stört hier nur.«
»Ich sage unten Bescheid.«
Schwartz lief wieder nach unten und schickte zwei Männer hoch.
»Den Toten in die Gerichtsmedizin, vielleicht finden die ja noch was.«
Er lief langsam zum Porsche und sah hinein. Schicker Wagen, dachte er, so was hätte ich auch gern. Nur so nebenher, falls die Déesse mal in die Werkstatt muss.
»Träumen Sie schon?« Liliana Petkovic war neben ihn getreten. »Legen Sie sich hin«, sagte sie und steckte sich eine neue Zigarette an. »Sie haben Ihren Fall gelöst. Das LKA übernimmt den Rest.«
»Und ich«, Schwartz sah sie an, »muss ich dann zu Habersaath zurück?«
Liliana Petkovic lächelte. »Sagen Sie bloß, Sie haben Gefallen an mir gefunden?«
»An Ihnen ganz besonders«, bekräftigte Schwartz, »vor allem an Ihrem Hintern.«
»Chauvinist!«
»Aber auch an Ihrer Arbeit im LKA . Eigentlich sind wir doch ein ganz hübsches Team. Sie und ich.«
»Hübsch vielleicht«, erwiderte die Petkovic, »ob erfolgreich, wird sich zeigen.«
»Wird es das?«
»Warum nicht?« Liliana Petkovic blickte ihren Rauchwolken nach. »Wenn ich bei uns ein Wort für Sie einlege und schön bitte, bitte sage.«
»Da danke ich schon mal im Voraus.«
»Was ist passiert?« Bleich kam eine junge Frau heran. Julia Latte aus der Pension »Johannishof«. Das Mädchen mit den Essstörungen. Und noch immer in feuchten Kleidern.
Schwartz sah sie an. »Was wollen Sie denn hier?«
»Was ist passiert?«, wiederholte Julia fröstelnd und starrte entsetzt auf den grauen Plastiksarg, der eben über den Hof getragen und in einen Leichenwagen geschoben wurde, auf dessen Flanken » GERICHTSMEDIZIN « stand.
»Es wurde jemand erschossen«, sagte Schwartz.
»Wer?«
»Roland Paich. War wohl der Chef hier.«
»Was? Roland?« Sie starrte ihn erschrocken an.
»Sie kannten ihn?« Schwartz zückte sein ledernes Notizbuch. »Woher?
»Wer hat ihn umgebracht?«, entfuhr es Julia. »Wer tut so was?«
»Wenn wir das wüssten, könnten wir zur Verhaftung schreiten«, erwiderte Schwartz.
»Wenn Sie bitte einfach die Fragen meines Kollegen beantworten würden«, mischte sich Liliana Petkovic ein. »Also: Kannten Sie den Mann und, wenn ja, woher?«
Julia sagte kein Wort und schluckte schwer. Vermutlich war ihr wieder schlecht.
»Nun mal raus mit der Sprache, Herzchen«, fauchte die Petkovic, »oder wollen Sie mit aufs Revier?«
Julia wandte sich ab und rannte weg.
»Jetzt haben Sie sie vertrieben«, regte sich Schwartz auf. »Warum gehen Sie das Mädchen so hart an?«
»Weil Sie was damit zu tun hat«, sagte die Petkovic, »das sieht man doch. Die steckt mit drin. Nun los! Die kriegen wir noch!«
Sie rannte ebenfalls los und Julia hinterher.
Nicht auch noch rennen jetzt, dachte Schwartz genervt und folgte trotzdem.
Liliana Petkovic war verdammt schnell, sie kletterte über Autos, hechtete über Zäune und Mülltonnen.
Julia war bei Weitem nicht so schnell und zudem sehr erschöpft. Aber sie kannte die Stadt und ihre Schleichwege. Sie wusste, durch welche Hinterhöfe und Gärten man entkommen konnte.
Die Petkovic wusste das nicht. Keuchend stand sie am Külzufer und starrte über die Mandau.
»Und?« Atemlos kam auch Schwartz dahergetrabt. »Wo ist sie?«
»Keine Ahnung.« Liliana Petkovic sah sich schnaufend um. »Ich hab sie verloren.«
56
DIE KLEINE SCHEIBE links oben im verrosteten Steuerhaus des Baggers: Das ist die Liebe. Ich visiere sie an, denn es hat sich ausgeliebt. Ab heute bin ich ein Vergewaltiger. Eine wahrhaft hassenswerte Person. Und als ich vorhin über Jule hergefallen bin, hat es gekracht. So wie jetzt Rolands tschechische Armeepistole. Ein lautes, trockenes Knallen, das die Scheibe zerspringen lässt. Wie die Liebe zerfällt sie in tausend kleine Scherben. Das wäre erledigt.
Nun muss ich nur noch Conchitababy aus meinem Hirn bekommen. Dafür könnte ich mir eine Kugel in den Schädel jagen, dann wäre es vorbei. Ich könnte aber auch eine andere der kleinen Fensterscheiben im Bagger nehmen, vielleicht die gleich rechts neben der Tür?
Schuss und Treffer. Blöd nur, dass ich trotzdem noch an Jule denken muss.
Ja, ja, die Liebe und der Suff, die reiben den Menschen uff. Und haste keene Liebe, dann bleibt dir nur der Suff. Egal, wie’s läuft im Leben, am Ende gehste druff. – Prost! Wilthener Goldkrone sei dein Tröster.
Ich nehme einen großen Schluck, dann ist die Pulle leer. Auch egal. Ich werfe sie in hohem Bogen von mir und
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