Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
versuche, sie noch im Flug mit der Pistole zu treffen. Anvisieren, ausatmen, abdrücken.
    Daneben. Ich bin schon zu besoffen. Die Flasche landet unversehrt im Baggersee. Platsch!
    »Hör auf, um dich zu schießen, verdammt!«
    Eindeutig Jule, die da so kreischt. Was will die denn schon wieder? Sie kommt durch die lehmige Grube gelaufen, landet auf allen vieren im Matsch und würgt angestrengt, doch es gibt nichts mehr, was sie auskotzen könnte.
    Mann, Mann, Jule, echt! Ich will dich endlich vergessen. Schwankend gehe ich auf sie zu.
    Jule hockt vornübergebeugt, die langen Haare im Gesicht, und wird von Weinkrämpfen geschüttelt. Und noch immer trägt sie ihre nassen Sachen. Na ja, ich hab mich ja auch nicht umgezogen. Schnaps wärmt. Leider ist er alle.
    Ich hocke mich zu ihr, will ihr die Haare aus dem Gesicht streichen, doch sie stößt mich heftig weg.
    »Fass mich nicht an!«
    Schon gut, Süße. Schon gut.
    »Du bist eine Gefahr für die Zivilisation!«
    Sicher. Auch das.
    »Das ist mir jetzt klar geworden.« Jule richtet sich wieder auf. »Du bist eine mörderische Bestie!« Hasserfüllt starrt sie mich an. »Und? Fühlst du dich jetzt besser? Hast ihn an die Wand gestellt, was? Kurzer Prozess! Baff!«
    Ich hab keine Ahnung, wovon sie spricht, und komme mir vor wie ein Psychiater vor einem schwierigen Patienten.
    »Jule, ich weiß nicht, was da gerade abgeht in deinem süßen Kopf. Wovon redest du?«
    »Roland«, antwortet sie. »Das geht ab. Hast du ihm in die Augen geschaut, als du ihn erschossen hast? Hast du dich an seiner Angst geweidet? Oder war das einfach nur so … Baff, wie du immer sagst. Hast den Kerl mal eben umgenietet.«
    Was faselt sie da? – Roland ist tot?
    »Die Polizei ermittelt schon. Du gehst wegen Mord in den Knast, Kudella. Lebenslänglich.«
    WAS ? Himmel, was zum Teufel soll das heißen? » ROLAND IST TOT? «
    »Hast du ihn damit getötet?« Sie hat plötzlich die tschechische Armeepistole in ihren Händen.
    »Nein«, rufe ich aus. Herrgott, wie kommt sie bloß auf so einen Scheiß? »Ich bin kein Killer, Mann!«
    Echt! Was traut die mir noch alles zu? Das ist doch irre. Total verrückt! Ich muss mich erst mal auf einen alten Traktorreifen setzen, der halb vergraben im lehmigen Sandboden steckt.
    »Ist Roland wirklich tot?«
    Jule antwortet nicht. Ihre Augen sind feucht und sehen total verheult aus. Unschlüssig dreht sie die Waffe in ihren Händen.
    »Vorsicht, Baby, die Knarre ist entsichert und kann losgehen.« Ich erhebe mich wieder und will ihr die Waffe abnehmen, doch sie richtet die Pistole auf mich. Verblüfft halte ich in der Bewegung inne.
    »Drehst du jetzt völlig durch, oder was?«
    »Bitte, Kudella«, flüstert sie und sieht mich fast flehend an. »Wir gehen jetzt zur Polizei, okay? Damit das Morden endlich ein Ende hat. Damit nicht noch ein Unglück passiert.«
    »Bist du bescheuert? Ich hab Roland nicht umgebracht.« Ich will einen Schritt auf sie zugehen, doch sie schreit:
    »Bleib stehen!« Die Waffe in ihren Händen zittert leicht.
    Eine Kugel ist noch drin im Lauf, denke ich. Acht waren im Magazin. Vier hatte ich mit Piet verschossen und eben drei. Also ist noch eine drin.
    »Erschieß mich«, verlange ich tonlos, »na los! Mach!« Langsam gehe ich auf sie zu.
    »Hör auf, Kudella!« Jule weicht zurück, ohne die Waffe runterzunehmen. »Ich mein’s ernst!«
    »Ich auch.« Hast schon ganz recht, ich bin eine mörderische Bestie. Mach Schluss, bevor noch ein Unglück passiert!
    Ich packe sie wütend an den Handgelenken und drücke mir die Waffe gegen die Stirn. »Geht ganz leicht, Jule. Du musst nur den Abzug ziehen.«
    Ihre Hände zittern, und ich spüre den kalten Lauf der Pistole an meinem Kopf. Na los, du blöde Kuh, schieß endlich! Ich hab’s verdient. Du traust mir doch eh jede Sauerei zu. »Mach ein Ende!«
    Sie will von mir weg, doch ich lasse sie nicht los. Sie soll endlich schießen, verdammt! Warum drückt sie nicht einfach ab? Zack, aus, Schluss! Ich umfasse Jules Handgelenke fester und schiebe sie langsam vor mir her auf den Baggersee zu.
    »Na, mach schon! Ich bin’s, Kudella, Rolands Mörder«, rege ich mich auf. »Du tust mir einen Gefallen, wenn du mich erschießt.«
    »Du bist irre«, flüstert Jule und fängt an zu weinen, »du bist vollkommen verrückt.« Die Waffe in ihren Händen zittert stärker, aber sie kann sie nicht loslassen. Meine Hände sind wie ein Schraubstock. Sieh nur, die Knöchel meiner Finger treten weiß hervor. Du musst

Weitere Kostenlose Bücher