Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
sein.«
    Julia spürte, wie erneut die Übelkeit in ihr hochkroch.
    »Was ist«, fragte Schwartz, »hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«
    Sie stürzte würgend ins Bad und erbrach sich. Warum ging eigentlich alles in ihrem Leben so dermaßen in die Hose? Reichte es nicht, von Schleppern gejagt und von Kudella vergewaltigt worden zu sein? Musste jetzt auch noch Swetlana verschwinden und dieser bescheuerte Kommissar auftauchen?
    »Haben Sie was Falsches gegessen oder Bulimie?«
    »Um ehrlich zu sein«, sprach Julia ins Klo, »ich habe noch gar nichts gegessen.« Sie kam wieder hoch, riss ein Stück Toilettenpapier ab und wischte sich damit über den Mund. »Tut mir leid. Das passiert mir manchmal.«
    »Und nur mit Schuhen duschen Sie auch nicht.« Das Badetuch war verrutscht, und der Kommissar hatte entdeckt, dass sie darunter noch was trug. Mit einer schnellen Handbewegung zog er ihr das Handtuch von den Schultern. »Sondern sogar im Anorak?«
    »Ich dusche immer bekleidet«, erklärte Julia rasch. »Das ist nichts Besonderes bei mir.«
    »Eine Art Macke?«
    »Kennen Sie das nicht?« Julia hatte das Gefühl, um ihr Leben reden zu müssen. »Sie stehen unter der Dusche, und plötzlich wird das Wasser brühend heiß oder eiskalt.«
    »Hat mit dem Wasserdruck zu tun«, wusste Schwartz.
    »Wenn Sie dann etwas anhaben, ist der Schock nicht ganz so groß.«
    »Gute Idee«, nickte Schwartz verständig. »Muss ich auch mal ausprobieren.« Er nahm sie plötzlich an beiden Armen und sah sie eindringlich an. »Hören Sie, ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist, aber ich mag Sie.«
    Nicht schon wieder, dachte Julia.
    »Sie gefallen mir. Und ich habe Angst um Sie!«
    »Angst?« Julia lachte auf. Es sollte heiter und sorglos klingen, kam aber ziemlich hysterisch rüber. Fürchtete sie zumindest. »Nein, Sie brauchen keine Angst um mich zu haben. Eher sollte ich mich vor meinen Beschützern fürchten.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ach, nichts.« Julia winkte ab. »Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass dieses Mädchen zu mir wollte? Ich bin erst seit vorgestern in der Stadt.«
    »Na und? Ich bin auch erst angekommen. Und trotzdem glaube ich, dass Sie in einer Geschichte drinstecken, die ziemlich gefährlich werden kann.« Er tippte sich gegen die Stirn. »So was hab ich im Gefühl. Afrikanische Gene.«
    »Haben Sie einen Medizinmann in der Verwandtschaft?«
    »Schlimmer«, erwiderte der Kommissar ernst. »Mein Großvater war Geisterbeschwörer. Wollten Sie mir noch was sagen?«
    Julia schüttelte den Kopf.
    Schwartz legte seine Visitenkarte auf den Nachttisch. »Falls Ihnen doch noch was einfällt.« Er nickte ihr zu und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch mal um. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Julia. Julia Latte.«
    Schwartz lachte.
    »Haha«, machte Julia, »der Witz kommt bei mir genauso wie bei Ihnen Schwartz.«
    »Das meine ich nicht.« Der Kommissar drückte Julia die Hand. »Ich bin Romeo.«
    War das eine spezielle Anmache? Oder … Julia sah ihn verständnislos an.
    »Wirklich«, er ließ ihre Hand wieder los, »mein Vorname ist Romeo. Romeo Schwartz.« Er lächelte sie versonnen an. »Wenn wir Glück haben, sterben wir zusammen, Julia.«
    Er wandte sich ab und verließ das Zimmer. Julia lief ihm nach.
    »Ach, Romeo? Ich mein, Herr Schwartz …«
    »Sagen Sie ruhig Romeo, Julia.« Er stand an der Treppe. »Ich finde das schön. Gibt’s noch was?«
    »Was passiert denn mit dem Mädchen, das Sie an der Grenze erwischt haben?«
    »Nichts«, sagte Schwartz, »die Behörden ermitteln ihre Eltern, und sie wird zurück nach Hause geschickt. Und in spätestens zwei Wochen ist sie wieder da. Zu neunzig Prozent jedenfalls. Wiedersehen.«
    »Wiedersehen«, echote Julia und schloss die Tür. Dann lief sie zum Fenster und sah hinaus.
    Unten trat der Kommissar auf den Platz, stieg in einen alten Citroën und fuhr Richtung Markt davon.
    Julia schlug sich das Badetuch wieder um die Schultern und lief die Treppe hinunter.
    »Frau Rouché?«
    Die Wirtin kam aus ihren Hinterzimmer getrippelt und guckte sie skeptisch an. »Was wollte denn der Polizist von Ihnen?«
    Julia ignorierte die Frage. »Waren Sie auf meinem Zimmer?«
    »Nein«, beteuerte die Rouché. »Wieso? Fehlt was?«
    Und ob, dachte Julia. »Es war nicht abgeschlossen, als ich kam. Und ich bin sicher, dass ich abgeschlossen hatte.«
    »Ich habe nur den Herrn Paich reingelassen«, sagte die Rouché. »Aber das wissen Sie ja.«
    »Das weiß ich nicht«, entfuhr es Julia,

Weitere Kostenlose Bücher