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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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mutiert.
    Verstohlen sah sie durch die Fenster in die Gartenlaube. Wie er da lag, mit seiner Glatze. In Bomberjacke und Springerstiefeln. Hingestreckt auf der ollen Couch unter seiner Reichskriegsflagge. Ein gefallener Don Quichotte nach der Schlacht gegen die dummen Windmühlen im Kopf. Fast tat er ihr leid.
    »Also, ich muss jetzt«, sagte sie mehr zu sich selbst und ging.
    »Wohin denn?« Roland lief ihr nach.
    »In die Stadt«, erwiderte Julia mit gesenkten Kopf und ohne sich nach ihm umzusehen.
    »Das ist aber ‘n ziemliches Stück.« Roland ging jetzt neben ihr und versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen. »Ich könnte dich fahren, aber du willst ja nicht in meinen Porsche steigen. Würde ich mir an deiner Stelle noch mal überlegen.«
    »Wieso«, fauchte sie ihn an, »fahren hier keine Busse mehr?«
    »Doch, doch, schon gut«, versicherte er und blieb mit beschwichtigend erhobenen Händen zurück. »War ja nur ein Angebot …«
    Julia ließ ihn stehen, holte ihren schweren Rucksack aus Kudellas altem Russenjeep und marschierte durch den Urwald der Kleingartenanlage zurück in Richtung Schlachthof.
    Früher hörte man hier immer die Schweine quieken, weshalb Julia sich schon früh entschlossen hatte, Vegetarierin zu werden. Diese industrielle Tötung von sogenanntem Nutzvieh war ihr einfach zuwider. Heute war Stille im Schlachthof. Die alten, um die Jahrhundertwende errichteten Ziegelbauten standen leer und begannen zu verfallen. Zwischen düsteren Fensterhöhlen, in denen die Scheiben eingeschlagen waren, grüßte ein unheildräuendes Graffito mit  »Welcome in the dead zone«.
    Plötzlich laute Pfiffe: »Schnecke! Hast du heute schon was vor?«
    Julia sah auf. Mist! Die Bushaltestelle war von grölenden Typen in Blaumännern und Zimmermannshosen belagert. Offenbar gab es im Schlachthof doch noch was zu tun, denn die Kerle sahen aus, als hätten sie eben Feierabend gemacht. Und da kam ihnen Julia wohl gerade recht.
    »Na, was für ein süßes Vögelchen hat sich denn hierher verflogen?« Es sind immer die Widerlichsten, die sich als Erste vorwagen, hässlich fiese Dumpfbacken mit schlechten Zähnen, die normalerweise kein Mädchen anschauen würde. »Bist du aus dem Nest gefallen? Soll ich dir meins zeigen?«
    Die Übrigen lachten laut und pfiffen. Zwei weitere Typen kamen heran.
    Julia spürte, wie ihr plötzlich das Herz bis zum Hals schlug.
    »Verpisst euch«, zischte sie und wich etwas zurück. Und wieder kroch ihr die Übelkeit den Hals hoch. Das fehlte noch, dass sie hier vor den Idioten zu kotzen anfing.
    Der Kerl, der sich als Erster vorgewagt hatte, begann dicht vor ihr schwerfällig auf und ab zu tänzeln: »Schöne Maid, hast du heut für mich Zeit …«
    Und die andren grölten »Oh-ja-hi-ja-ho-ho!«
    »Sag bitte ja …«, der Typ packte sie am Arm und zog Julia zu sich heran, dass sie seinen säuerlichen Atem roch, »ich bin nur für dich da …« Dann stockte er abrupt und sackte mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen.
    Das klappte immer. Ein beherzter Stoß mit dem Knie in des Mannes empfindlichstes Teil hatte noch nie seine Wirkung verfehlt. Jetzt hieß es nur noch Beine in die Hand nehmen und rennen!
    Julia stürmte los. Und sie hörte, wie ihr einige der anderen Typen folgten. Was ganz schlecht war, denn sie war nicht besonders gut im Sprint. Zudem hatte sie die schwere Kraxe auf dem Rücken. Aber sie konnte Haken schlagen wie ein flüchtender Hase. Das Problem war nur, dass ihr schon wieder kotzübel war. Verdammt, sie hätte echt in Düsseldorf bleiben sollen, das Ganze war eine Schnapsidee, ein Fehler, ein Fehler …
    Bremsen kreischten, und fast wäre sie über die Haube von Rolands grummelndem Porsche gestürzt. Julia stand keuchend an den Kotflügel des Wagens gestützt und erbrach sich, obgleich kaum noch etwas in ihrem Magen war, dass sie erbrechen konnte. Nur noch eine speichelartige Flüssigkeit tropfte auf das Kopfsteinpflaster.
    »Komm, schnell!« Roland nahm ihr hastig den Rucksack ab und stopfte ihn durchs Schiebedach in den Wagen. »Steig ein!«
    Ja, wie denn, wenn schon der Rucksack das ganze Auto füllt?
    Irgendwie klemmte sich Julia dann doch noch in den Porsche, und Roland ließ aggressiv den Motor aufheulen.
    Die Männer vom Schlachthof ließen sich davon wenig beeindrucken. Sie warteten mit verschränkten Armen auf der Straße ab. Würde der Porschefahrer es wagen, sie über den Haufen zu fahren?
    Nee. Roland legte den Rückwärtsgang ein und bretterte mit

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