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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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westdeutsche Sicherheitsstandards angepasst werden musste, damit man die Betriebsgenehmigung nicht verlor. Gleichzeitig brachen immer mehr Aufträge weg, Banken kürzten die Kreditlinien, und dann wurde das Betriebsgelände der Spedition auch noch unter Denkmalschutz gestellt. Schon vor über zweihundert Jahren wurden hier, auf dem alten Packhof an der Äußeren Weberstraße, Pferde- und Ochsenkarren mit Waren beladen, um sie durch die Lande zu transportieren. Für die Stadt Grund genug, die alten Lagerhäuser und Stallungen nach strengen Richtlinien von den heutigen Besitzern sanieren zu lassen, um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Wahnsinn war das, total irre. Vater gab entnervt auf, doch Roland kämpfte weiter. Die juristischen Gefechte mit der Stadt und die drohenden Kosten der Sanierung gaben der Spedition dann den Rest.
    Tom hatte die Idee, wie man sie vor dem Konkurs retten konnte. Auf seinen Touren durch Osteuropa hatte er viele hübsche Mädchen kennengelernt, Mädchen, die nur vom Leben im reichen Westen träumten. So wurde eine neue Geschäftsidee geboren. Nicht ganz legal, aber das Unternehmen blühte wieder auf. So sehr, dass es Begehrlichkeiten weckte. Bei straff organisierten Banden, die ihre Geschäftsfelder ausweiten und den Markt unter ihre Kontrolle bringen wollten.
    Kaemper hatte recht, dachte Roland, wir hätten uns nie mit denen einlassen dürfen. Nachdenklich hielt er die Trainingsjacke in den Händen.  KSK  Jelenia Góra, mhm …
    »Sechs Mädchen«, erläuterte Tom und packte den Rest seiner Sporttasche aus, »und sechs Trainingsanzüge für sechs Spielerinnen. Das macht genau: eine Volleyballmannschaft.«
    »Ja gut, schon verstanden«, nickte Roland und sah fragend auf. »Und dann? Wie weiter? Ich meine, auch eine Volleyballmannschaft braucht gültige Papiere für die Einreise. – Papiere, die wir nicht haben.«
    »Eine Volleyballmannschaft braucht vor allem eine Einladung.« Tom griff in seine Lederkombi und holte ein Kuvert hervor. »Eine Einladung aus Deutschland für ein völkerverständigendes Freundschaftsspiel zum Beispiel.«
    Roland nahm das Kuvert und öffnete es. Der Gütersloher Frauenvolleyballverein lud die Spielerinnen des  KSK  Jelenia Góra zu einem Freundschaftsspiel am 15. Oktober ein. Ganz offiziell. Beglaubigt und abgestempelt war das Schreiben von der Gütersloher Sportförderung, unterzeichnet hatte es der Oberbürgermeister der Stadt persönlich.
    »Ist das echt?«
    »Natürlich ist das echt.« Tom grinste. »Nur hat der  KSK  in Jelenia Góra diese Einladung leider nie bekommen. Aber dafür kommen unsere Mädchen sicher über die Grenze, und die Russen kriegen ihre Ware. Auf dass sie uns fortan in Ruhe lassen, nicht wahr?«
    Ja, dachte Roland, so könnte es klappen. Mit so einem amtlichen Schreiben würden die Mädchen an der Grenze kaum genauer kontrolliert werden. Eine polnische Volleyballmannschaft mit offizieller Einladung. Nicht schlecht. Obwohl ein Restrisiko blieb, aber das gab es bei den nächtlichen Schleusungen der Mädchen über die Neiße auch. Zumal die Schlepper mit ihren Forderungen immer unverschämter wurden, denn inzwischen mischten auch in diesem Geschäft immer mehr Russen mit.
    »Okay«, sagte er schließlich. »So machen wir’s.«
    »Bestens«, fand das Tom und stellte zwei Flaschen polnisches Zywiec-Bier auf den Schreibtisch. »Darauf trinken wir jetzt erst mal einen!«
    Er köpfte die Flaschen mit einem Feuerzeug, die Männer stießen an und tranken.
    »Dann brauchen wir nur noch ein geeignetes Fahrzeug für unsere Volleyballerinnen«, sagte Roland, nachdem er seine Flasche wieder abgesetzt hatte.
    »Ich dachte an den Barkas«, Tom wischte sich über den Mund, »der hinten im alten Packhaus steht.«
    »Der liegt seit 89 still«, Roland winkte ab, »der hat noch nie  TÜV  gehabt.«
    »In Polen brauchen wir auch keinen  TÜV «, erwiderte Tom. »Der Barkas wird schön in den Farben des  KSK  Jelenia Góra lackiert und muss es nur einmal aus eigener Kraft über die Grenze schaffen. Das kriegen wir schon hin.«
    »Gut.« Roland sah in seinen Auftragsbüchern nach. »Der große Unimog ist frei. Da passt der Barkas hinten auf die Ladefläche.«
    »Okay«, nickte Tom. »Wann?«
    »Wie schon gesagt«, Roland trank sein Bier aus, »besser heute als morgen.«
    Und so passierte noch an diesem Tag ein Unimog-Abschleppwagen der Paich-Transportlogistik GmbH mit einem alten Kleinbus der Marke Barkas B 1000 den Grenzübergang

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