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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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recht trocken.
    Das Problem ist, dass Jule nicht auf ihrem Zimmer zu sein scheint und mir die schrullige Portiersfrau mit dem seltsamen Namen Rouché partout nicht sagen will, wo sie steckt.
    Erst als ich mich lautstark darüber beschwere, dass ich nicht über vier Jahre auf die Frau meines Herzens gewartet habe, nur um jetzt von übereifrigen Hotelkräften abgewiesen zu werden, hat der schon ziemlich klapperig wirkende Gatte der Portiersfrau, Herr Rouché, ein Einsehen.
    »Haben Sie wirklich vier Jahre auf das Fräulein Latte gewartet?«
    »Vier lange Jahre«, beteuere ich mit leidendem Blick, »in denen meine Seele zerbrach.«
    »Davon hat sie uns nichts gesagt«, meckert die Rouché. »Und der Herr Paich auch nicht. Das Fräulein wirkte insgesamt auch nicht so, als erwarte sie noch einen Liebhaber.«
    »Aber er hat doch Blumen dabei«, zischt Herr Rouché und wendet sich dann wieder an mich.
    »Diskretion wird in unseren Hause normalerweise großgeschrieben«, entschuldigt er sich, »aber da es sich hier wohl um eine ernste Herzensangelegenheit handelt …«
    »Das können Sie laut sagen.«
    »… will ich mal eine Ausnahme machen.« Er beugt sich vor und raunt geheimnisvoll: »Sie macht ein Praktikum. Am Töpferberg. Sie kennen den Verein? Podtsch?«
    »Zecken«, nicke ich, »na, logo doch.«
    »Zecken?« Verblüfft sieht er mich an. »Gibt’s die um diese Zeit denn noch?«
    »Zecken gibt’s immer, Herr Rouché.« Ich lüfte meinen Hut zum Abschied und gehe. »Schönen Tag noch!«
    Mein  GAZ  ist nur eine Querstraße weiter geparkt. Es regnet noch immer, das Verdeck glänzt nass. Ich lege den Blumenstrauß neben mich auf den Beifahrersitz und starte den Wagen. Verdammte Zecken. Wie ich diese linke Plage hasse. Dauernd wollen sie dir erzählen, wie du dich zu verhalten hast, damit das Leben nachhaltiger und das Miteinander besser wird. Multikulti trallala. Also was mich angeht, ist mein Leben nachhaltig genug, dafür brauche ich keinen Podtsch.
    Klar ist, dass ich Jule da rausholen muss. Ich frage mich allmählich, was die mit ihr in Düsseldorf so alles angestellt haben müssen, dass sie so schräg tickt. Sie hat doch erlebt, wie es ist, wenn diese linken Romantiker an der Macht sind. Das ist alles andere als lustig, die machen dann einen auf Harten. Von wegen miteinander. Davon haben die Düsseldorfer keine Ahnung, die hatten ja nie den Kommunismus. Eigentlich hätte Jule im Westen Aufklärungsarbeit leisten müssen. Stattdessen kommt sie noch linksgespülter zurück, als sie es zu  DDR -Zeiten war. Nee, ehrlich, das geht mir irgendwie nicht in den Kopf!
    Ich stoppe den  GAZ  am Töpferberg und gehe alles noch mal durch. Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein, aber das ist jetzt egal. Kreidefressen ist das Gebot der Stunde, lieb sein und charmant. Den ganzen Tag schon habe ich mir die Worte zurechtgelegt, die ich ihr sagen werde.
    Liebste Jule, oh nein, das ist zu fett, liebe Jule muss reichen. Also: Liebe Jule, es tut mir leid, dass ich mich gestern so scheiße benommen habe, äh, beziehungsweise so schlecht benommen habe. Aber das ging nicht gegen dich, ich war einfach nur ziemlich von der Rolle, weil wir uns ja so lange nicht gesehen haben. Ich habe mich so auf dich gefreut, das habe ich kaum ausgehalten, und deshalb ging das gestern schief, und das tut mir unendlich leid. Ich will es wiedergutmachen, und deshalb dachte ich, wir unternehmen was zusammen. Gehen mal einen saufen – nein, saufen nicht, trinken muss es heißen –, gehen schön was trinken, wie früher. Rauchen, trinken, reden. Ist ja viel passiert in der langen Zeit, oder? Gibt sicher viel zu erzählen. Also, nix für ungut, liebe Jule, ich bin weiterhin dein Freund und …
    – Ja, was und?
    Egal, wird sich zeigen. Bloß nicht vor ihr rumstottern. Klare Kante zeigen, sich nicht verbiegen lassen und trotzdem charmant und menschlich sein.
    Keine leichte Aufgabe. Aber was ist schon leicht im Leben? Nichts. Ich hab schon ganz andere Dinger gewuppt, das kriege ich hin. Und wie ich das hinkriege!
    Schwungvoll stoße ich die Tür zum Podtsch auf, und sofort schlagen die Zecken Alarm.
    »Scheiße, es gibt Ärger«, schreien sie hysterisch durcheinander. »Ruft die Bullen! Die Faschos sind da!«
    Haben die ‘n Arsch offen? Ich hab doch noch gar nichts getan!
    »Was willst du hier?«, kreischt ‘ne halbe Portion mit Punkfrisur und Fistelstimme. »Raus, raus, raus!«
    »Keine Gewalt!« Irgendeine Psychotussi wedelt mir beschwichtigend

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