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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Frauen: Judith, Maria, Constanze oder Laila, dazu Monatsangaben und Jahreszahlen wie Mai bis September 91 oder Dezember 92 bis März 93 …
    »Die Trophäensammlung meines Mannes«, erklärte Ursula Kuhnt ohne einen Anflug von Bitterkeit, »da hat er seine Eroberungen drin verewigt.«
    Interessant. »Wussten Sie davon?«
    »Natürlich. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.«
    »Aber …« Schwartz richtete sich mit dem Album in der Hand wieder auf. »Das schmerzt doch schon, wenn der eigene Ehemann …«
    »Ich bitte Sie!« Ursula Kuhnt lachte auf. »Natürlich hatte auch ich meine Affären. Und ich hab sie noch.«
    »Verstehe«, murmelte Schwartz. »Dann führten Sie und Ihr Mann so etwas wie eine freie Ehe?«
    »Eine ehrliche Ehe«, präzisierte sie. »Wir waren durchaus glücklich miteinander. Im Gegensatz zu vielen sogenannten monogamen Ehen. Und wir haben viel gelacht, wenn wir uns beim Frühstück von unseren neuesten amourösen Bekanntschaften erzählten.«
    »Und diese«, Schwartz lächelte schief, »amourösen Bekanntschaften? Fanden die das auch so spaßig?«
    »Nicht immer«, gab Ursula Kuhnt zu. »Vor allem Laila«, sie deutete auf das entsprechende Foto, »hatte damit ihre Schwierigkeiten. Eine Polin, katholisch.« Sie schüttelte den Pudelkopf. »Das konnte kein gutes Ende nehmen.«
    »Wieso?« Schwartz sah sie fragend an. »Was ist denn passiert?«
    »Laila hat immer geglaubt, dass sie eines Tages von meinem Jochen geheiratet würde. Was natürlich völlig absurd war. Aber sie ließ sich einfach nicht davon abbringen. Sie wollte heiraten. Meinen Mann. Sie hat ihn regelrecht erpresst. ›Ich bringe mich um‹, hat sie gesagt, ›wenn du dich nicht scheiden lässt.‹« Ursula Kuhnt seufzte. »Arme kleine Polin. Wollte halt auch was abhaben von unserem Wohlstand.«
    »Und«, fragte Schwartz, »hat sie sich umgebracht?«
    »Sie hat es versucht.« Ursula Kuhnt sah sich bedauernd das Foto im Album an. »Ein hübsches Mädchen, finden Sie nicht? Jetzt sitzt sie im Rollstuhl.«
    »Wo finde ich diese Laila?«
    »Irgendwo hinter der Grenze, Zgorzelec, glaube ich, weiß es aber nicht genau.« Ursula Kuhnt hob die Schultern. »Krajewska heißt sie mit Nachnamen, Laila Krajewska. Sie kam zur Trauerfeier für meinen Mann, wollte aber nicht mit mir sprechen. Leider.«
    Kann ich verstehen, dachte Schwartz. Ob hierin das Mordmotiv lag? Erst bringt sie ihn um, dann versucht sie’s bei sich? – Oder umgekehrt?
    »Kann ich das Album behalten?«
    »Sie können die ganze Kiste behalten, wenn Sie wollen.« Ursula Kuhnt lachte. »Sie sind wohl ein Sammler, was?«
    »Ein Sammler von Hinweisen, ja«, antwortete Schwartz und überlegte, wie er jetzt trocken zum Auto kam. Denn wenn er die Kiste trug, konnte er nicht gleichzeitig den Schirm halten und würde so unweigerlich nass werden. Er hasste es, sich in regenfeuchten Klamotten in seine Déesse setzen zu müssen. Dann beschlugen immer die Scheiben, und für die Polster war es auch nicht gut. Bittend wandte er sich an Frau Kuhnt.
    »Könnten Sie vielleicht …«
    »Sie wollen nicht nass werden?« Ursula Kuhnt grinste.
    »Richtig.«
    »Ja, das ist wirklich ein Sauwetter heute.« Sie stieg in zwei Plastikpantoffeln, die genauso giftgrün waren wie ihr Kimono, und kam aus dem Haus. »Dabei war es gestern noch so schön.«
    »Irgendwann ist es halt vorbei mit schön«, ächzte Schwartz und hob die Kiste an. »Wir gehen stramm auf den Winter zu. In acht Wochen ist Nikolaustag.«
    »Und?« Ursula Kuhnt tippelte neben ihm her und hielt ihm den Schirm. »Schuhe schon geputzt?«
    Sieh an, die Herrin des Kitsches hatte sogar Witz.
    Schwartz entriegelte die Kofferklappe und stellte den Umzugskarton hinein. »Besonders traurig wirken Sie nicht.«
    »Macht mich das verdächtig?« Sie sah zu, wie er sich in den Wagen setzte. »Oder erwarten Sie, dass ich für den Rest meines Lebens heule?«
    »Nein. Ich bin sicher, dass Sie sich mit Ihren diversen Affären trösten. Geben Sie mir den Schirm?«
    »Ich will genauso wenig nass werden wie Sie, wenn ich zum Haus zurückgehe.« Ursula Kuhnt schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, nein, Oberkommissar, da werden Sie sich schon noch mal aus Ihrem übrigens sehr speziellen Wagen bemühen müssen. Was soll sonst aus meiner Frisur werden?« Auffordernd hielt sie ihm den Schirm hin.
    »Natürlich.« Schwartz stieg wieder aus dem Auto, nahm den Schirm und zuckte etwas zusammen, als sich die Kuhnt vertraulich bei ihm einhakte.
    »Schönes

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