Grenzwärts
damit etwas antun kann. Aber das war eine Sache zwischen Männern. Selbst wenn ich sie Jule erzählen würde, wer garantiert denn, dass sie mir glaubt?
»Wozu brauchst du eine Waffe?«, wiederholt Jule mit unverkennbarer Hysterie in der Stimme.
»Keine Ahnung«, ich hebe die Schultern, »vielleicht Sport?«
»Sport?« Jule schüttelt den Kopf. »Damit macht man keinen Sport, Kudella. Damit tötet man.«
Sie nimmt ihren Anorak und stolpert vor das Haus. Dort höre ich sie kotzen.
Ich stehe wie angewurzelt. Mein Kopf ist wie leer. Eben lief alles noch so gut. Und jetzt? Alles aus?
»Jule!« Ich gehe vor die Tür, sehe sie durchs Gartentor verschwinden. »Jule, warte doch mal!« Ich renne ihr nach, packe sie an den Schultern und drehe sie zu mir herum. »Ich habe dieses Scheißteil noch nie benutzt. Ehrlich!«
»Mag sein.« Sie sieht so traurig aus. »Aber wer eine Waffe besitzt, weiß im Allgemeinen, warum. Und er wird sie benutzen, wenn es drauf ankommt. – Er wird töten.«
»Ach ja?« Allmählich werde ich auch sauer. »Sind das die Erkenntnisse der Soziologie, oder haben dir das die Zecken erzählt?«
»Weder noch«, haucht Jule kalt, »ich finde nur, dass Waffen so ziemlich das Letzte sind. Ich hasse Waffen. Ich hasse das Töten!« Sie macht sich los. »Und ich hasse dich.«
Und damit läuft sie durch den Regen davon und hinterlässt ein seltsames Stechen in meiner Brust.
»Aber …« Hilflos hebe ich die Arme. »Jule!«
Es hat keinen Sinn. Sie dreht sich ja nicht mal mehr nach mir um.
Ich habe sie verloren.
Wegen einer beschissenen Pistole, die eigentlich Roland gehört.
17
FEIERABEND! Schwartz kochte innerlich. Er war wütend, und das machte sich auch an seinem Fahrstil bemerkbar. Mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr er die B99 nach Zittau runter, bis es blitzte.
Schwartz bremste scharf, wendete auf der Stelle und fuhr wieder zurück, um noch mal Anlauf zu nehmen. Na wartet, dachte er und gab Gas.
Mit gut hundertvierzig Stundenkilometern bretterte er auf den blitzenden Starenkasten zu und machte hinter seiner Windschutzscheibe einen dicken Stinkefinger.
Wieder blitzte es. Ein hübsches Foto, damit die taffe Dame vom LKA mal erfuhr, was er von ihr hielt. Fuck up, Liliana Petkovic!
Und gleich noch mal. Schwartz wendete erneut und raste zurück. Das Gaspedal bis zum Anschlag durchtretend hielt er auf den Blitzer zu. Bergab brachte es die Déesse auf gut hundertsechzig Kilometer die Stunde. Gebannt sah er auf den Tacho. Hundertfünfzig, hundertfünfundfünfzig, hundertsechzig, na also! Und einmal lächeln, bitte. Er zog eine Grimasse, streckte die Zunge heraus und dann – der Blitz. Fein, fein!
Aller guten Dinge sind drei, und so wiederholte er die Prozedur ein letztes Mal. Diesmal kam er sogar auf hundertdreiundsechzig Stundenkilometer. Rekord!
»Yeah«, brüllte er und tippte sich ausdauernd gegen die Stirn, bis es blitzte. Blöde Kuh! Glaubte wohl, er sei doof. Aber nicht mit ihm. Dann lieber bei Habersaath Akten sichten, als sich von so einer arroganten, schwäbisch-kroatischen Wessinuss für blöd verkaufen zu lassen. Gleich morgen früh wollte er zurück nach Dresden fahren und dieser Petkovic die Akten auf den Tisch knallen. Sollte sie ihren Mist doch selbst machen. Schluss, aus und vorbei.
Tanken müsste er auch mal bei Gelegenheit. Die Anzeige stand schon länger auf Reserve. Aber er war ja schon fast in Dittelsdorf, und eine Tankstelle konnte er morgen immer noch ansteuern.
Als er die Einfahrt zum großmütterlichen Haus einbog, stutzte er. Da stand ein Citroën 2 CV vor der Tür, jene Autolegende, die dem Volksmund besser als »Ente« bekannt ist.
Schwartz stoppte seine Déesse und stieg aus. Er hatte ein ungutes Gefühl, denn er kannte niemanden, der eine Ente fuhr. Diese hier hatte ein Reutlinger Kennzeichen und war wie ein Polizeiwagen grün-weiß gespritzt. Auch einen entsprechenden Schriftzug gab es an den Seiten: » POLENTE «.
Er überlegte noch, ob er das nun witzig finden wollte oder nicht, da öffnete sich die Tür zu seiner Großmutter Haus, und Liliana Petkovic strahlte ihn lachend an.
»Sie sollten Ihr Gesicht sehen«, schwäbelte sie heiser und mit der obligatorischen Zigarette in der Hand.
Unglaublich, dass Oma ihr gestattet hatte, im Haus zu rauchen!
»Verblüffend, nicht wahr? Das ist mir gleich aufgefallen«, fügte sie aufgeräumt und mit Blick auf die beiden Wagen hinzu, »wir fahren dieselbe Automarke.«
Schwartz sah sie finster an. Erstens
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