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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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werden will. Noch allerdings fehlt es ihm etwas an Statur, aber das kann ja noch kommen. Ab und zu trainieren wir zusammen, und ich erkläre ihm dann was über den richtigen Muskelaufbau und worauf es sonst noch so ankommt. Wir haben zusammen eine eigene Kampftechnik entwickelt, eine Mischung aus Judo, Taekwondo und Jiu-Jitsu. Ziel dabei ist, das Beste aus den verschiedenen Kampftechniken miteinander zu verbinden, Schnelligkeit, Überraschungsmomente und die Kunst des Nachgebens, um die Kraft des Gegners gegen ihn selbst zu verwenden. Eine Philosophie des Kampfes, die stets verbessert werden kann.
    Ich mag Piet gerne. Er ist manchmal etwas verpeilt, doch kein Idiot. Und er gehört zu jener Sorte Menschen, die immer gern dazugehören möchten und es doch nie tun. Wohl deshalb fühle ich mich ihm nahe.
    »Was hast ‘n da?« Natürlich hat er die Waffe entdeckt. »Ist die echt?«
    »Klar«, sage ich, denn für Spielzeuge bin ich zu alt, und gebe ihm die Waffe. »Vorsicht! Ist geladen und entsichert.«
    »Irre«, findet Piet und visiert umständlich den Bagger an.
    »Was willst ‘n treffen?«
    »Den ollen Scheinwerfer da oben am Führerhaus«, antwortet Piet und macht ein Gesicht wie Terence Hill. Dann drückt er ab. Der Schuss hallt über dem See wider, die Querschläger sirren. Aber die Lampe hat er nicht getroffen.
    »Mist«, meint Piet und besieht sich die Waffe. »Aber da ist echt Power hinter, was?«
    Kann man so sagen, denke ich.
    »Wo hast ‘n die her?«
    »Von Roland.«
    Piet zielt erneut auf den Bagger. »Wozu braucht die alte Ludensau so ‘n Schießeisen?«
    »Das habe ich mich auch gefragt und sie ihm besser abgenommen«, antworte ich und stelle mich neben Piet. »Du weißt nicht zufällig, wo sein Nuttenbus steht, oder?«
    »Keine Ahnung«, erwidert Piet und lässt die Waffe sinken. »Am Berzdorfer Tagebau, glaube ich.« Er grinst. »Dicke Eier?«
    »Seh ich so aus?«
    »Irgendwie schon«, nickt Piet und feixt, »aber Natascha wird’s richten.«
    »Vergiss es!« Ich brauche keine von Rolands Nataschas. »Ich hab dir doch mal von Jule erzählt, oder?«
    »Die da?« Piet zeigt auf den Bauwagen mit der Kinderschrift. »Deine alte Liebe? Die Hübsche trotz Brille?«
    »Jetzt hat sie Kontaktlinsen.« Und dann erzähle ich ihm alles. Von meinem missglückten Auftritt bei Jules Ankunft in Dresden über den noch missglückteren Besuch im Podtsch bis hin zum total verunglückten Tango in meiner Laube. »Jetzt hasst sie mich«, beende ich meinen Bericht, »wegen dieser Knarre, die noch nicht mal mir gehört.«
    »Da ging was komplett in die Hose«, bekräftigt Piet mitfühlend. »Und was willste jetzt machen?«
    Wenn ich das wüsste, denke ich.
    »Roland braucht einfach mal was aufs Maul. Polier ihm die Fresse«, schlägt Piet vor, »aber kräftig. Solche Typen müssen ein für alle Mal ausgebremst werden, verstehste? Die Ludensau braucht ‘n Schuss vor den Bug. Aber einen, der trifft!«
    Davon krieg ich Jule auch nicht wieder, denke ich.
    Piet hat die Pistole in der ausgestreckten rechten Hand und nimmt den Bagger wieder ins Visier.
    »Nee, nee, so wird das nichts!« Ich zeige ihm, wie man die Waffe richtig hält. »Du musst sie in beide Hände nehmen. Einhändig siehst du nur im Film, da triffst du nichts. – Okay, und jetzt die Beine etwas gespreizt, leicht anwinkeln und schön locker bleiben.« Ich lasse ihn los, gucke, wie Piet den Scheinwerfer anvisiert. »Ganz langsam einatmen«, sage ich, »Luft anhalten. Ruhig ausatmen. – Und jetzt hol ihn runter!«
    Piet schießt und trifft zwar nicht den Scheinwerfer, doch immerhin eine der kleinen Fensterscheiben am Fahrstand. Sie zerspringt klirrend, die Scherben fallen ins Wasser.
    »Schon besser«, lobe ich und nehme ihm die Waffe wieder ab. »Pass mal auf!« Jetzt zeige ich ihm mal, wie man das macht: Waffe in beide Hände und schön locker über die Kimme den Scheinwerfer aufs Korn genommen. Dann einatmen, Luft anhalten und kurz anspannen, ruhig ausatmen. Peng! Der Scheinwerfer klatscht in die schlammigen Fluten, und Piet ist entsprechend beeindruckt.
    »Wenn du in meinem Alter bist«, klopfe ich ihm tröstend wie ein Vater auf die Schulter, »schaffste das auch. Reine Übungssache. – Los, komm!«
    Ich wende mich ab und steige in meinen  GAZ .
    »Wohin denn?«, fragt Piet und steigt ebenfalls ein.
    »Wir machen uns ‘n kleinen Spaß«, antworte ich und starte den Wagen.
    Eine Dreiviertelstunde später erreichen wir den Berzdorfer Tagebau. Eine gigantische

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