Grenzwärts
love for o-on-ly you-hou-hou.«
Die Türen des Busses öffnen sich, die Mädchen stolzieren heraus und stellen sich verführerisch in Pose.
»Das gibt’s ja nicht.« Frau Rouché ist fassungslos. »Und so was direkt vor der Kirche! Eine Unverschämtheit.«
Ihr Mann reckt den Hals, wechselt dann auf dem Klavier die Melodie und beginnt, mit lauter, erstaunlich stimmsicherer Stimme »Pigalle, Pigalle – das ist die große Mausefalle mitten in Paris« zu singen.
Ich lege einen Fünfer auf den Tresen und trete mit dem Bier vor die Tür.
Neugierig kommen immer mehr Anwohner und Schaulustige heran und diskutieren über Sinn und Unsinn fahrbarer Bordelle. Auch die Runde der sekttrinkenden Geschäftsleute aus dem »Johannishof« ist auf den Platz getreten und überlegt laut, ob man vielleicht einfach mit den Mädels weiterfeiern solle.
»Hier!« Ich drücke Piet ein Bier in die Hand und setze mich zu ihm in den GAZ . Wir stoßen an und beobachten, was passiert.
Swetlana, das Mädchen, das mir vorhin im Tagebau die Zigarette anzünden musste, stolziert in ihren kniehohen Stulpenstiefeln und dem roten Lackjäckchen herum. Ein älterer Herr im Lodenmantel interessiert sich für sie.
»Machen wir’s woanders? Ich leg fünfzig drauf.«
»Ich kann hier nicht weg«, antwortet Swetlana mit russischem Akzent, »aber in unserem Bus ist es sehr diskret. Und es gibt auch was zu trinken.«
»Du sprichst aber gut Deutsch.« Der alte Mann knautscht verlegen seinen Tirolerhut. »Kommst du aus Russland? Warst da auf einer deutschen Schule, was?«
Swetlana sieht ihn spöttisch an: »Wollen Sie mich adoptieren?«
»Komm«, säftelt der Alte erregt, »ich leg hundert drauf und wir treiben’s auf dem Kirchhof. Gut?«
»Auf dem Kirchhof?« Swetlana fängt schallend an zu lachen. »Großväterchen! Da kommen Sie früh genug hin!« Sie hakt sich amüsiert bei dem alten Herrn unter und verschwindet mit ihm im Dunkel der Wacholderbüsche auf dem Friedhof hinter der Kirche.
»Na bitte, flutscht doch wie in El Paso, was?« Ich sehe Piet an. Der nippt verwirrt an seinem Bier und ist knallrot im Gesicht. Armer Junge! Muss noch viel lernen.
Ich schaue rüber zum »Johannishof«, aber von Jule ist nichts zu sehen. Das Licht in ihrem Zimmer ist aus, wenn es wirklich das Balkonzimmer ist, von dem Roland gesprochen hat. Aber auch an den anderen Fenstern der Pension sehe ich sie nicht. Vielleicht hat sie noch im Podtsch zu tun, bei den Zecken, und kommt erst später nach Hause.
Die Geschäftsleute aus dem Restaurant knobeln laut lachend aus, wer die Mädels zahlen soll, und Stefan Kaemper macht es sich in einem Liegestuhl neben dem Bus bequem. Eines der Mädels bringt ihm ein Glas Whisky mit Eis. Doch er kommt nicht mehr dazu, es zu trinken …
… denn plötzlich rasen mehrere Autos auf den Platz. Kleinere Opels und Golfs, genau kann ich es nicht erkennen, weil es fast gleichzeitig mehrmals dumpf knallt und gleißendes Licht blitzartig den Platz erhellt.
»Blendgranaten«, brülle ich und drücke Piets Kopf herunter, »Deckung!« Wir schließen hastig die Augen und rutschen in den Fußraum des GAZ . Reifen quietschen um uns herum auf, die Mädchen kreischen, außerdem hören wir martialisches Geschrei und Stiefelgetrappel – was, verdammt, passiert hier?
Vorsichtig komme ich wieder hoch, schiele durch die Windschutzscheibe meines Jeeps, kann aber nichts erkennen, denn noch immer bin ich geblendet, und es tanzen weiße und rote Flocken vor meinen Augen herum.
»Ich bin blind«, ruft neben mir Piet entsetzt, »auweia, ich kann nichts mehr sehen!«
»Halt die Klappe«, schreie ich ihn an, »das geht gleich vorbei!«
Tatsächlich lässt das Flackern in den Augen nach einer Weile nach, allmählich erkenne ich Konturen. Überall rennen maskierte Typen in Bomberjacken herum. Mehrere Autos haben den Bus eingekeilt. Von einem alten dunkelgrünen Kampfgruppen-Robur werden Benzinkanister gewuchtet, der Inhalt um den und gegen den Hurenbus geschüttet. Verdammt! Die wollen das Teil abfackeln! Aber wer?
Wer?!
Skinheads? – Katenbachs Neonazitruppe?
Johlend treiben sie die verängstigen Huren auf die Ladefläche des Robur. Irgendjemand wirft ein Streichholz. Ein lautes Verpuffen, Feuer, Schreie! Zustände wie im Krieg!
Die Tür des brennenden Busses wird aufgestoßen, Annika und Julika, die ungarischen Zwillinge, springen spärlich bekleidet heraus, werden aber sofort von den maskierten Typen abgegriffen. Die Mädchen weinen und wehren
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