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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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ich, kleine Sünden bestraft der Herr sofort.
    Von ferne hört man Sirenen und Martinshörner. Feuerwehr und Polizei sind im Anmarsch. Das heißt für mich: abhauen, und zwar schnell. Wenn man nur auf Bewährung draußen ist, sollte man nicht von den Bullen an irgendwelchen Tatorten angetroffen werden. Auch wenn man mit dem Tathergang nichts zu tun hat. Na ja, fast nichts.
    »Piet«, rufe ich und starte den  GAZ , »Abflug! Wir verpissen uns.«

21
    PUH, WAR JULIA   FERTIG.  Erschöpft hockte sie auf Kudellas Schlafcouch und sah sich um. Drei Stunden hatte sie geputzt und geschrubbt und Sachen aussortiert, und jetzt war es gut. Man kann aus einer Bruchbude keinen Palast machen. Immerhin war die Laube jetzt sauber und einigermaßen aufgeräumt.
    Vor der Eingangstür stapelten sich drei große schwarze Müllsäcke. In den einen hatte Julia alles geschmissen, was klassischer Müll war: abgelaufene und verdorbene Lebensmittel, uralte Zeitschriften, leere Zigarettenschachteln und Bierdosen, eingerotzte Tempotaschentücher, der Inhalt von mindestens drei übervollen Aschenbechern, Schnapsflaschen und Verpackungen, verdreckte Staub- und Scheuertücher, Unterhosen und T-Shirts, die niemand mehr waschen wollte, und so weiter.
    Im zweiten Sack befand sich der ganze Faschokram, die zum Putzlappen missbrauchte kaiserliche Reichskriegsflagge zum Beispiel und stapelweise Landser-Heftchen, aber auch Lonsdale-Shirts und Thor-Steinar-Käppis. Dann gab es noch diverse Waffenkataloge, eine pseudowissenschaftliche »Anleitung zum Kriegführen« und irgendwelche Wehrmachtsmilitaria wie Eiserne Kreuze und andere Orden aus dem Weltkrieg. Zum geistigen Müll zählte Julia einen Volksbrockhaus aus dem Jahre 1942, alte Zigarettenalben über Zeppeline und Kampfflugzeuge, eine englische Ausgabe von Hitlers »Mein Kampf« und eine Rudolf-Heß-Biografie sowie ein rassistisches Machwerk über die »Sitten und Gebräuche der Neger«.
    Sack drei war der Heikelste, denn natürlich war diese tschechische Armeepistole – die sie übrigens nicht gefunden hatte, weil Kudella sie offenkundig bei sich trug – nicht die einzige Waffe im Haus. Auf dem Hängeboden hatte sie noch eine Flinte entdeckt und drei kleine Schachteln mit sogenannter Luftgewehrmunition. Dazu eine schwere Pistole mit beängstigend großem Lauf, offenbar aus Beständen der Sowjetarmee, und eine weitere Munitionskiste, die dreißig Raketen enthielt, die wie überdimensionierte Silvesterknaller und ziemlich gefährlich aussahen. Alles aus russischer Produktion. Genau wie das Fernglas, aber das ließ sie ihm. Mit einem Fernglas kann man niemandem etwas tun. Anders als mit Schlagringen und Wurfsternen, die landeten auch im Müllsack, genau wie die zwei Baseballschläger.
    Lange überlegt hatte Julia bei den Messern. Jeder Mensch braucht ein Küchenmesser, und natürlich kann man auch damit jemanden verletzen oder töten. Kudella aber besaß kein klassisches Küchenmesser, sondern nur mehrere höllisch scharfe Klapp- und Springmesser. Julia warf am Ende alle in den Müllsack. Ein ordentliches Messerset für die Küche konnte sie ihm immer noch kaufen.
    Zuvor aber musste dieser ganze Waffenmüll entsorgt werden, und zwar gleich, bevor Kudella in seine Laube zurückkam. Julia hatte wenig Lust, mit ihm über Sinn oder Unsinn von Waffen zu diskutieren. Was weg war, war weg, dann konnte man damit auch nichts mehr anrichten.
    Aber wohin damit? Julia zwirbelte nachdenklich eine ihrer langen Haarsträhnen. Die Neiße war nicht weit von hier, einfach die Chopinstraße hinunter, und dann kam der Grenzübergang, das waren keine fünf Minuten zu Fuß.
    Natürlich konnte Julia den Sack nicht einfach an der Brücke in den Fluss werfen. Da würden die Grenzpolizisten einem nur unangenehme Fragen stellen. Trotzdem war die Neiße ein gutes Endlager für blöde Waffen, und etwas Besseres fiel Julia auf die Schnelle ohnehin nicht ein.
    Kurzerhand zog sie sich den Anorak über und lief hinaus in den Garten. Hinter der Laube hatte sie einen alten Handwagen entdeckt, einen morschen Karren aus Holz, aber für ihre Zwecke mochte er reichen. Sie belud ihn mit den drei Müllsäcken und machte sich auf den Weg. Den klassischen und den geistigen Müll konnte sie gleich vorn an der Chopinstraße lassen, denn da standen vier große Abfallcontainer, die direkt für die Kleingartenanlage bestimmt und schon nach dem dualen System zur Mülltrennung geordnet waren. Was Julia schließlich zur Frage veranlasste, ob

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