Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
Wohnstube der Frau Bauerin. Dort trifft sie, wie erhofft, die Wirtin an, die am Kachelofen sitzt und stopft, so wie meist nach dem Essen.
«Frau Bauerin, ich hab eine Frage. Gestern musst ich bei der Hundchen das Bett neu beziehen. Die hat wohl Wein danebengeschüttet, jedenfalls hat das Laken was abgekriegt. Ich hab’s eingeweicht, dass die Flecken nicht alt werden, und jetzt seh ich eben danach und der Wein ist immer noch nicht ganz draußen. Ob ich’s einmal richtig durchwaschen soll oder lieber eingeweicht lassen, bis die Ursel es holt?»
«Das will ich mir einmal ansehen», seufzt die Bauerin und erhebt sich schwer atmend. Die Susann stellt das Wasser ab, und zusammen gehen sie hinüber in die Waschküche. Im Halbdunkel beugt sich die Wirtin über den Bottich. «Hier!», sagt die Susann und weist ihr die Stelle. Die Frau Bauerin zieht den verfärbten Zipfel aus dem Wasser und betrachtet ihn prüfend. «Das hättet Ihr aber besser ausspülen können, gelle, Susann. Der Fleck muss ganz raus. Mit oder ohne Seife. Macht Euch gleich an die Arbeit. Und dann eingeweicht lassen.»
Die Susann sollte jubeln innerlich. Es ist nämlich alles ganz genauso verlaufen wie erhofft, jetzt ist sie aus dem Schneider mit dem Laken. Trotzdem ist sie doch tatsächlich schwer getroffen von dem leisen Tadel der Frau Bauerin. Lächerlich. Einfach lächerlich. Sie muss sich endlich ein dickeres Fell wachsen lassen.
Wozu sie am selben Abend mindestens eine ausgezeichnete Gelegenheit erhalten würde.
In der Bierstube zu stehen war Folter.
Er kam gegen acht, ließ sich in aller Gemütsruhe auf seinem gewohnten Platz nieder, lachte immer wieder oder machte Scherze, spielte mit dem Bonum (ausgerechnet) und dem fremden Juden Karten und blieb geschlagene zwei Stunden. Die Susann, mit ihren widerstrebenden Empfindungen für ihn, schämte sich zu Tode, sie drückte sich beim Fass herum und versuchte nicht hinzusehen und hinzuhören. Von der Angst ganz zu schweigen, dass er oder der Bonum oder der jüdische Schmuckhändler (hat er dem nichts erzählt?) irgendein zweideutiges Sprüchlein ablassen könnte, das bei der Frau Bauerin einen Verdacht erregt. Und dann käme doch noch alles heraus.– Servieren musste sie natürlich auch an dem Tisch, zweimal hat er sie sogar mit Namen gerufen, sie möchte ihm was bringen, und sie hat versucht, ihm nicht ins Auge zu sehen und immer nur ein verkrampftes «Bittschön» gemurmelt, wenn sie das Bier hinstellte.
Als diese Qual endlich vorüber ist, indem der Christoph Bauer die letzte Stunde übernimmt und die Susann, Gott sei Dank, endlich zum Schlafengehen in die Küche darf − was sieht sie da: An der Wand neben der offenen Truhe steht die Christiane, halbnackt, in einem frischen, und wahrscheinlich ihrem, Susanns, Hemd. Und die Christiane nimmt, sowie sie die Susann bemerkt, aus der Truhe vier lange, glitzernde Schnüre hoch, hält sie am ausgestreckten Arm in die Luft und schüttelt sie sacht, dass es klickert. «Hei-tei-dei», flötet sie, «was haben wir denn da!»
Der Susann zieht sich alles zusammen. Und dann sagt sie ohne lange nachzudenken genau das Richtige.
«Das ist ja wohl das Allerletzte! Hab ich dir nicht gesagt, du darfst das Hemd nicht haben! Ich brauch’s selber!»
«Da sieht man ja, wie sehr du’s brauchst, dass es hier ganz jungfräulich und vergessen in der Truhe liegt.»
«Ich wollt’s mir für morgen früh aufheben. Zieh es sofort aus.» Nur nicht anmerken lassen, dass ihre Sorge ganz allein den Perlen gilt und nicht dem Hemd. So tun, als würden sie die Perlen gar nicht interessieren. Die lässt die Christiane jetzt gedankenlos auf die durchwühlten Kleider in der Truhe fallen, bevor sie unwillig darangeht, sich das stibitzte Hemd wieder auszuziehen. «Gibst mir wenigstens dein altes?», grummelt sie. «Das ist bestimmt noch tausendmal sauberer und trockener als meins.»
«Na gut, mein altes kannst du haben. Und dann waschen wir deins gleich und hängen’s vor die Glut.» Die Susann knöpft sich ihre Jacke auf.
Genau in diesem Moment betritt die Bauerin den Raum.
«Susann», sagt sie, «ich weiß, dass Ihr gestern das Bett von der Hundchen gemacht habt. Aber habt Ihr’s auch heute gemacht?»
Der Susann wird sehr mulmig. Was soll die Frage? Hat die Bauerin etwa die Hundchen auf den angeblichen Weinfleck angesprochen?
«Ich hab heute», sagt die Susann mit trockener Kehle, «gar keine Betten gemacht. Weil gestern die Christiane krank war und ich alle Betten
Weitere Kostenlose Bücher