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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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derweil bei der Frau Bauerin holen, was er braucht. Und während die Marie mit fünf Schoppen jongliert, flüstert ihr die Christiane: Sie schäme sich regelrecht, im Einhorn zu arbeiten derzeit. Mit so einem Luder von einer Kameradin. Was man da hören müsse neuerdings. Das färbe leider auf den eignen Ruf ab. Da könne man selbst noch so tugendsam sein.
    «Was hört man denn neuerdings?», raunt die Marie, «ich hab so schwer zu schaffen, ich krieg ja nichts mehr mit.»
    Die Christiane beugt sich ganz dicht zu Maries Ohr. «Hat ihr Geblüt nicht seit Anfang Dezember. Weiter sag ich nichts.»
    Weiter musste sie auch nichts sagen.
     
    Derweil steht die Susann in der Küche, die Hand auf dem rundlicher gewordenen Bauch, und in ihr zittert alles. Ohne Grund allerdings. Sie kann doch gar nicht schwanger sein. Herr Jesus, wie denn, sie hat ja ihr Blut noch gehabt nach der Unzucht mit dem Jan. Und so viel weiß sie sicher: Wer nach einem Verkehr mit einer Mannsperson sein Gewöhnliches bekommt, der ist für dieses Mal garantiert nicht schwanger geworden.
    Was ist das aber für ein unglücklicher Zufall, dass ihr ausgerechnet so bald nach diesem Fehltritt das Blut verstockt. Sodass sie sich jetzt von der Christiane unruhig machen lässt, ohne Grund eigentlich. Nur deshalb, weil ihr Gewissen nicht ganz rein ist. Da fällt es schwer, die holde Unschuld herauszukehren, wenn andere ihr damit kommen, sie wäre wohl schwanger. Aber von dem Beischlaf mit dem Jan weiß ja gar niemand außer ihr! Was die andern betrifft, so ist die Sache nicht geschehen. Und was ihren Bauch betrifft, ebenso. Sie kann ja nicht schwanger sein.
    Sie muss es durchstehen, ganz einfach. Das Gehöhne von der Christiane. Bis das Blut wiederkommt. Lange kann es ja nicht mehr dauern.

3. AUGUST 1771, HALB DREI UHR NACHMITTAGS
    DER RATSSCHREIBER Marcus August Claudy, Lizenziat beider Rechte, hatte in seinem Leben schon angenehmere Aufgaben gehabt.
    Obwohl er, wenn er ehrlich sein wollte, das ganze Leben ziemlich unangenehm fand: eine stete Abfolge von Sorgen, Peinlichkeiten und kreatürlichem Unbehagen. Was nicht besser geworden war, seit er eine Frau hatte und diese ihm gelegentlich ein Kind gebar. Bei den Geburten, diesen grässlichen, schmutzigen Quälereien, konnte er sich zum Glück verziehen. Doch das Davor und Danach! Eine Zeugung an sich war schon unästhetisch genug. Dieses feuchte, labbrige Gefältel, das Frauen zwischen den Beinen haben, musste auf jeden klar denkenden Menschen abstoßend wirken, weshalb der Beischlaf im Allgemeinen gern im Dunkeln und unter Einwirkung von Alkohol ausgeübt wird. Der Lizenziat Claudy war zwar selbst kein Mediziner, aber in der Medizin gebildet genug zu wissen, dass das Weibliche eine entartete Spielart des Männlichen darstellt, welche dann entsteht, wenn die Manneskraft bei der Zeugung nicht ihr Optimum erreicht. (Er selbst hatte bislang nur Töchter zustande gebracht: Ein trauriger Beleg mehr für die Unzulänglichkeit an Körper und Geist, die er zeit seines Lebens an sich konstatiert hatte.) Selbst also nicht der Stärkste, konnte leider der Ratsschreiber Claudy kaum anders, als diesen entarteten, verwachsenen, schwächlichen weiblichen Körpern außer einer gewissen Abscheu auch unendliches Mitleid entgegenzubringen. Während der Schwangerschaften, während all des endlosen widerlichen Erbrechens und der Blähungen und des Gejammers und der schwellenden blauen Adern und des Wassers in den Beinen, setzten ihm folglich Mitleid und Ekel gleichermaßen zu, und wenn die Geburt endlich herannahte, so war er mit den Nerven weit mehr herunter als seine Frau. Hatte er dann das grässliche Gebären glücklich überstanden, indem er nicht anwesend war, ging es jedoch erst richtig los: Diese elenden kleinen Würmchen, bei denen beständig entweder oben aus dem Mund oder unten aus den Ausscheidungsorganen etwas stinkend herausquillt, die nur plärren und wimmern oder schlafen und so schwach sind, dass sie jeden, jeden Augenblick zu sterben drohen …
    Drei Würmchen hatte er begraben, eins einen Tag alt, das andere fünf Monate, das dritte zwölf, und bei Gott, seine erste Tochter, die einzige, die überlebt hat, acht Jahre ist sie schon alt, wie sie ihn all die Zeit über gequält hat und noch heute quält, wie er bei jedem Hüsteln, bei jedem Fieber und jeder kleinen Kolik das Schlimmste vermutet. Dass er nämlich am Ende auch sie noch wird sterben sehen.
    Und nun dies. Wieder ein Würmchen, ein fremdes diesmal, ein

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