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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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jetzt ohnehin durch ihre, der Bauerin, neue Schwiegertochter, das Lieschen, übernommen. (Hieran hat die Susann nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Lieschen große Zweifel, die sie aber wohlweislich für sich behält.)
    Womit die Frau Bauerin ihre beiden Mägde gehen lässt.
    «Na, hast jetzt erreicht, was du wolltest? Bist gewiss zufrieden mit dir, gelt!», giftet die Christiane, als beide allein in der Küche sind.
    Die Susann ist müde, so müde, die Beine sind so schwer. Sie sagt dazu gar nichts, lässt sich aufs Bett fallen und zieht ihre neuen Schuhe und die Strümpfe aus. Hinten an der Ferse hat sie eine wehe, blutige Stelle, wo der noch sehr harte Schuhrand einschneidet und jeden Tag neu die über Nacht zugeheilte kleine Wunde aufscheuert. Die befühlt sie jetzt mit angezogenem Bein (was ist der Bauch heut Abend so dick – dass sie fast das Bein nicht mehr an den Körper bringt). Und dann legt sie, Hand an der Ferse, das Kinn aufs Knie (also, es geht doch noch – so dick ist sie noch nicht) und macht die Augen zu. Es wird alles wieder gut. Sie ist nur so müde.
    Die Christiane schimpft immer noch vor sich hin. «Ach, Christiane», seufzt die Susann schließlich leise. Und merkwürdigerweise wird die andere danach still.
    Erst als das Talglicht aus ist und beide im Bett, vermerkt die Christiane unvermittelt in schon wieder recht zufriedenem Ton, ihr sei die stinkige Bauerische Küche mit dem Fenster so nah an den Mistkübeln sowieso verhasst. Immerhin werde sie morgen schön gemütlich bei der Tante schlafen, und da die jüngere Schwester jetzt in Dienst sei, sogar in einem eigenen Bett.
    Die Susann sagt nach einem Augenblick: Laut ihrer Schwester Ursel suchten die de Barys momentan eine Spülerin zur Aushilfe. Nicht zum Wohnen. Aber wenn die Christiane von der Tante aus arbeiten könne …
    «Hm», grunzt die Christiane. Dann dreht sie sich zur Wand.
    Die Susann macht auf dem Rücken liegend die Augen zu. Sachte, ganz sachte sinkt sie in den Schlaf … da –
    Jesus! Was ist das? Was passiert ihr?
    Es ist der Bauch. Wirklich ihr Bauch?
    In dem Bauch bewegt sich etwas. Etwas Fremdes. Die Susann liegt ganz still. Da ist es wieder. So, als würde ein großer Stein langsam von einer Seite auf die andere gewälzt.
    Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein. Es wird gleich wieder weggehen.
    Sie kann doch nicht wirklich schwanger sein.

Zweiter Teil
    Impraegnata
    Schwanger

ENDE APRIL 1771
    EINES DER Wahrzeichen von Frankfurt waren die Brückenmühlen. Von Ferne, zum Beispiel vom Geistpförtchen aus, wirkten sie wie Türme zwischen Uferbäumen. Stand man auf der Mainbrücke direkt daneben, da sah man natürlich, dass die Mühltürme nicht ans Ufer gebaut waren, sondern in den Fluss. Mehr oder weniger jedenfalls: Auf der Sachsenhäuser Seite liegen um die Brücke herum ein paar schmale, teils baumbestandene Inseln, und auf denen standen sie. Man konnte sie nur von der Brücke aus betreten.
    Auf der Brücke, genau zwischen den beiden hohen Mühlen, lehnte heute früh der Bonum gen Nordosten über die Mauer. Er hatte die Arme aufgestützt und kniff die Augen ein wenig zusammen gegen die Morgensonne, die auf dem Wasser glitzerte wie Silber. Mit der Nase sog er den leichten Tanggeruch ein, der an manchen guten Tagen am Main zu riechen ist. An solchen Tagen, da kann der Bonum nicht anders, da muss er einfach hier oben stehen bleiben und den Blick und die Gedanken ein bisschen schweifen lassen.
    Als er Frankfurt zum ersten Mal gesehen hat, als Junge von sechzehn Jahren, der zuvor nie aus Oberramstadt fort gewesen war, da hat er auch hier auf der Brücke haltgemacht. Beklommen und begeistert zugleich hat er lange einfach nur geguckt. Damals natürlich vor allem auf die Stadt mit ihren Verheißungen, in der er ein Auskommen und ein Leben finden wollte: diese hohe, befestigte, turmbewehrte, gestrenge Mainfront, das Getümmel am Kai samt den großen Hafenkränen, die blaugrüngraue Kette des Taunusgebirges in der Ferne. Und den wunderbaren, breiten, gemächlichen Fluss, mit seinen Möwen und Schiffen und Inseln, den er bis heute so liebt.
    Er war heut Gartenkräuter und Fische holen in Sachsenhausen, Letztere nach dem Ende der Messe wieder frisch von heute früh. Für ein paar seiner Klienten und auch für die Frau Bauerin, die nämlich ihre jetzt einzige Magd, die Susann, seit einiger Zeit kaum mehr vor die Tür lässt. So kommt es dem Bonum zumindest vor. Und der Grund für diese neuen Sitten scheint ihm

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