Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
unternimmt sie etwas. Zumal sich am heutigen, früh schon schwülen Sonntag eine günstige Gelegenheit bieten wird. Es ist nämlich die Ursel Königin mit der Weißwäsche für die Fremdenzimmer angekündigt.
Sie kommt auch, gegen acht, mit ihrem großen Weidenkorb, den sie direkt in die Stube bringt. Natürlich will sie gleich wieder zurück in den Hof, an der Waschküche die Dreckwäsche greifen und gehen.
«Moment, Moment, Frau Königin», hält die Bauerin sie auf. «Ich hätte etwas Wichtiges mit Euch zu reden. Wollt Ihr mir einen Augenblick folgen?»
Die Königin streicht sich über die feuchte Stirn, reibt sich den Nacken, wo der Schweiß unter der Haube hervorrinnt, wischt die Hand an der Schürze und kommt unwillig hinterher in die leere, dunkle Kinderschlafkammer. Die Türen schließt die Frau Bauerin sorgfältig hinter sich. Dass es nicht unbedingt bis nach vorn in die Bierstub durchdringt, was sie hier zu debattieren haben.
«Es geht um die Susann», informiert die Bauerin die Königin ohne Umschweife, und der wird gleich ganz anders. Oje, oje! Fast hat sie’s ja geahnt. Na, und dann kommt es auch schon: Genau das, was sie ihrer Schwester Dorette vor Wochen schon prophezeit hat. Die Bauerin setzt nämlich ein höchst verdrießliches Gesicht auf und beginnt in vertraulichem Ton:
«Stellt Euch vor, Frau Königin, neuerdings muss ich von den Leuten hören, die Susann wär schwanger. Ich hab ja zuerst nichts drauf geben wollen, weil ich die Susann für ein honettes Mädchen halt. Aber man kann es nicht leugnen, es steht ihr der Bauch so vor neuerdings. Ich hab sie auch schon zur Rede gesetzt in der Sach, aber sie behauptet: Sie wär nicht schwanger, sie hätt nur wegen einem Zorn die Ordinaire verloren.»
Die Königin blickt entsetzt. Das hat die Susann der Bauerin gesagt? Herrgott, wenn die Susann denn tatsächlich unschuldig ihr Blut vermissen sollte, was ihr, der Königin, wohl auch schon einmal vorgekommen ist in ihrer Jugend, dann ist doch das Letzte, was sie tun sollte, dies herumzuerzählen – ihrer Wirtin noch dazu –, damit sich das Gerücht erst befestigt, sie wäre schwanger!
Da aber dem Mädchen inzwischen der Bauch noch weiter gewachsen sei, fährt die Bauerin fort, könne sie sich mit dieser Auskunft nun nicht mehr zufriedengeben; man werde bei aller Freundschaft wohl auch kaum von ihr erwarten, dass sie eine schwangere Magd bei sich behalte. Andererseits wolle sie aber dem armen Ding auch nicht Unrecht tun. Kurz, sie bitte die verheirateten und im Kinderkriegen erfahrenen Schwestern der Susann, sich das Mädchen heute noch in ihrem, der Bauerin, Beisein strengstens vorzunehmen und der Sache endgültig auf den Grund zu gehen.
Die Königin, bleich unter der gebräunten Haut, schluckt zweimal und erklärt, sie sei von Gott schwer gestraft mit solch einer Person als Schwester, die ihr, einer ehrbaren Ehefrau und Mutter, die Schande auferlege, dergleichen von der Frau Bauerin hören zu müssen. Wiewohl sie andererseits hoffe und glaube, dass es mit dem Verdacht nichts auf sich habe. Denn ihr selbst sei als junges Mädchen auch das ein oder andre Mal unschuldig die Reinigung einige Wochen ausgeblieben, und das müsse also gar nichts heißen. Übrigens möchte sie die Frau Bauerin doch daran erinnern, dass sie die Dienstherrin ist. Deshalb sei es doch wohl ihre Pflicht, und nicht unbedingt die der Schwestern, sich das Mensch in der Sache nochmals vorzuknöpfen. Frech, wie es sei, werde es auf die Schwestern ohnehin nicht hören.
«Heißt das, Ihr wollt mir nicht helfen?»
Nein, aber nein, antwortet die Königin und schluckt. Wenn die Bauerin darauf bestehe, dann werde sie natürlich heute Nachmittag nach dem Waschen noch mit der Hechtelin vorbeikommen und die Susann genauestens wegen aller dieser Umstände ins Verhör nehmen, und dann werde man ja sehen, und sie hoffe sehr, dass sich der böse Verdacht nicht bewahrheite, weil sie dann ja nun wirklich nicht mehr wisse, was tun mit dem Mensch und wohin mit ihm. Und sie hoffe auch, falls der Verdacht ungerechtfertigt sei, dass die Frau Bauerin sich bereitfinden werde, die Susann noch länger bei sich zu behalten, da man sie unschuldig nicht strafen dürfe und sie in den letzten Jahren im Einhorn doch gute Dienste geleistet habe, und woanders könne man sie ja kaum unterbringen, bei dem Geschwätz der Leute, und die Frau Bauerin solle auch bedenken, dass man einander schon so viele Gefallen getan habe.
Die Bauerin wuchtet sich von der Bank
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