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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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lallte und übrigens unten heraus beständig Blut absonderte.
    Auf die Pflege von einem so schwer Kranken, beteuert nach diesen Eröffnungen die Witwe Bauerin, sei sie auf die Dauer nicht eingerichtet, dazu fehlten ihr einfach die Leute, zumal ihre einzige Magd derzeit selbst nicht bei allerbester Gesundheit sei, und der Judenknecht Bonum, der wolle auch nicht ohne Bezahlung arbeiten. Sie habe schon hin- und herüberlegt, was tun mit dem armen Mann, indem nämlich leider das Judenhospital im Bleichgarten so unverschämt sei, ihr solche Leute nur gegen Geld abzunehmen, mit der Begründung, die Juden bekämen ihr christliches Gesinde ja auch nicht umsonst gepflegt im christlichen Krankenhaus, wenn überhaupt. Sie solle sich doch gefälligst ans Heiliggeistspital wenden. Als würde sie dort nicht ausgelacht. Gut, sie versteht natürlich, warum ein Hospital zum Heiligen Geist keine Ketzer und Juden bei sich aufnimmt, die bekanntlich die Existenz vom Heiligen Geist böswillig leugnen, aber für sie persönlich, die doch den Unterhalt von dem Hospital mitbestreitet über ihre Steuern, ist es natürlich von Nachteil, dass sie ihre kranken fremden Juden dort nicht unterbringen kann, dann bleibt am Ende nämlich sie auf ihnen sitzen. Dieses Mal war ja weiß Gott nicht das erste Mal, und sie wäre doch kurios zu wissen, was man sich im Rat denkt, was geschehen solle mit so einem mittellosen Juden, der in einem christlichen Gasthof erkrankt. Soll sie ihn vielleicht mit dem Bollerwagen in die Judengasse fahren und dort in den Kot werfen? Da würde sie sich gewiss Ärger von Seiten des Rats zuziehen, wenn sie das täte!
    Das sei ja empörend!, befindet der Doktor Metz, während die Tür sich öffnet und vier männliche Juden im Pulk eintreten. Und damit bloß niemand denkt, dass er vor denen etwa kuscht, fährt der Doktor umso lauter in seiner Rede fort: Es sei ein Skandal, und es müssten seiner Ansicht nach die Juden amtlicherseits gezwungen werden, jeden Glaubensgenossen unentgeltlich in ihr eigenes Hospital aufzunehmen, schon gar, wenn er von einem christlichen Gastwirt oder Dienstherrn angebracht werde.
    Die einen Tisch weiter sitzende alte Jüdin Hundchen erklärt darauf, das wünsche sie sich auch, denn was aus ihr einmal werden solle, wenn ihr Geld verbraucht sei, das wisse sie nicht, ach!, alt werden sei nicht schön, und wenn möglich wolle sie doch lieber bald und bei der Frau Bauerin in ihrem bequemen Bett sterben als in ein Hospital müssen.
    Die vier Männer indes treten düster an den Tisch des Herrn Doktor Metz, einer hat ein langes Holzbrett in der Hand. Der Doktor fühlt sich geradezu bedrohlich umzingelt von diesen bärtigen Gestalten, die keineswegs den Eindruck machen, als suchten sie Herberge oder seien gar zum Biertrinken gekommen. Und prompt fängt einer, der einzige ohne Bart übrigens, in streitsüchtigem Tonfall an: Wenn der Rat nach seiner (des Doktor Metz) Meinung sich also anheischen solle, den Juden die Verwaltung ihres Hospitals vorzuschreiben, so müsse er wohl auch der Ansicht sein, dass der Rat sich künftig durch die Zuteilung von Steuermitteln aus den immerhin auch von den Juden gezahlten Steuern beteiligen müsse an den Kosten des jüdischen Hospitals. Dies gesprochen mit einem jüdischen Akzent, den der Doktor Metz sehr störend findet mit diesem Singsang und den weichen S-Lauten.
    Die Bauerin beendet die Unterhaltung, bevor es richtig haarig wird.
    «Gelle, Herr Doktor Metz, Sie sind nicht böse, wenn ich die Herren rasch hochbringe. Die sind der Beerdigungsverein von der Judengasse. Ich bin gleich wieder bei Ihnen, laufen Sie mir nicht fort.»
    Woraus der Doktor Metz aufs Ende der Geschichte vom Juden Bermann schließen kann. Der ist nämlich, wie ihm nun auch die Hundchen vom Nebentisch schildert, vor nicht ganz zwei Stunden verstorben. Der Doktor nimmt dies mit Erleichterung auf, andernfalls hätte die Sache ja unangenehm für ihn werden können, indem man ihn bedrängt hätte, sein Universalmittel herauszugeben. Und die Witwe Bauerin, die ist das Kreuz mit dem kranken Gast jetzt auch los.
    Als diese bald wieder schweren Schrittes eintritt und sich auf die Bank neben ihm fallen lässt, kommt sie zur Sache. Nämlich zu der, die auch nach dem Tod des Patienten Bermann noch ansteht. Ganz kurzatmig von dem bisschen Treppensteigen (zu fett!, konstatiert bei sich der Metz) beginnt sie: Sie müsse ihn doch einmal befragen wegen gewisser Umstände bei ihrer Magd. Die klage sei einiger Zeit, sie

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