Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
Straße wartet, während die Dorette sich anscheinend in den Hof gemacht hat, um zu prüfen, ob womöglich die Haustür noch offen ist.
Das ist doch! Will ihr also die Dorette mitten in der Nacht die Susann unterjubeln, die sie selbst nicht im Haus haben will! Die Impertinenz!
So, das wird aber der Dorette gar nichts nützen, dass sie sich nun in den Hof gestohlen hat. Das Hoftor mag kaputt sein, aber die Haustür, die ist ganz bestimmt wie immer seit zehn Uhr fest verriegelt.
Das war sie auch. Damit allerdings hatte die Hechtelin gerechnet. Sie hatte gar nicht vor, an einer Haustür zu rütteln, sondern sie wollte zum Fenster der Kammer von der ältesten Schwester Käthe, das auf den Hof ging. Die arme Käthe musste morgen mal wieder um drei raus für die große Wäsche bei den Saussures und hatte daher schon geschlafen, als die Hechtelin heut Abend schon einmal auf der Alten Gass war mit der Frage, ob die Susann hier vielleicht aufgetaucht sei. Jetzt schlief sie natürlich erst recht, aber die Dorette versuchte es trotzdem, und siehe da, schon nach dem ersten Rufen ging gleich das Fenster auf.
«Dorette?», flüstert eine verschlafene Käthe herab.
«Käthe! Mach auf!»
Die Käthe ist erst verwundert und dann zunehmend besorgt, als sie barfuß und so leise wie möglich das Treppenhaus hinunterläuft. Nachdem sie unten den schweren Riegel beiseitegeschoben hat, steht da aber nicht nur die Dorette. Im Hintergrund ist noch eine Gestalt zu sehen.
«Käthe, ich hab dir die Susann mitgebracht. Sie hat ihr Geblüt wieder bekommen. Du musst sie heut einmal bei dir schlafen lassen. Nur die eine Nacht. Ich versprech dir, sie geht morgen schon wieder in ihren Dienst zu der Bauerin.»
Die Käthe findet das alles reichlich verwirrend. Aber ehe sie hier nachts eine Diskussion anfängt mit der tauben Dorette und das ganze Haus aufweckt, nickt sie nur und bedeutet der Susann, mit hochzukommen. Oben in der Kammer bittet die Susann sie um ein schwarzes langes Hemd, sie brauche ein neues, sie blute so, weshalb die Käthe nun doch noch ein Licht entzündet, um aus ihrer Truhe das Hemd herauszusuchen. Da bekommt sie einen Schreck, so schlecht und krank sieht die Susann aus. Sie drückt der Armen das Hemd in die Hand, und dann legt sie sich sofort wieder in ihr Bett, rutscht in die rechte Hälfte, damit die Susann auf der linken Platz hat, dreht sich um und macht die Augen zu. Was ist sie müde! Und sie muss um drei raus.
Die Ursel schäumt und giftet unterdessen innerlich in ihrem Schlaf- und Wohnzimmer. Ja, ist das denn die Möglichkeit! Wenn sie richtig gehört hat, dann liegt jetzt die Susann drüben bei der Käthe im Bett, ganz ohne, dass man sie, die Ursel, vorher gefragt hätte! Da wird sie aber morgen einen Tanz veranstalten. Die fliegt hier morgen wieder raus, die Susann, aber hochkant.
FREITAG, 2. AUGUST 1771, VIERTEL NACH ACHT MORGENS
AM MORGEN danach war die Luft in der Stadt sanft und mild wie nach einem Sommerregen. Niemand, aber wirklich niemand der Beteiligten hätte geahnt, wie der Tag enden würde.
Im Gasthaus Zum Einhorn ging zwar einiges nicht seinen üblichen Gang. Die neue, durchaus willige Magd Margret kannte sich halt noch nicht aus und musste bei jedem Schritt an der Hand geführt werden. Eine Überraschung war das kaum. Und die Bauerin hatte noch einen anderen Grund, das Chaos sehr gelassen zu nehmen: Sie wusste ja nun, in zwei, drei Tagen hätte sie ihre Susann wieder – indem es mit deren «Umständen» doch noch rechtzeitig vor der Messe ein Ende gefunden hatte. Gott sei Dank.
Was für ein Ende, das wollte die Bauerin so genau nicht wissen. Zumal sie ja annehmen durfte, dass irgendwelche schlimmen Eventualitäten zumindest nicht in ihrem Haus geschehen waren.
In dieser beruhigenden Annahme wurde sie allerdings erschüttert, als sie höchstselbst im Stall Holz nachholte (das bisschen, was die neue Magd gestern herangeschafft hatte, würde kaum bis zum Mittagessen reichen). Der Eingang zu dem Holzstall, wo auch die beiden Pferde für den Wagen standen, lag in dem überbauten Durchgang zu dem kleinen zweiten Hof. Es war düster hier selbst heute, da die Sonne schien, und der Bauerin war im Stall zunächst gar nichts weiter aufgefallen. Aber als sie wieder herauskam mit Holz unterm Arm, da merkte sie bald, sie hatte was Klebriges unterm Schuh. Und zwar etwas, das beim Gehen bräunliche Flecken auf dem Pflaster hinterließ.
Der Bauerin gefiel das gar nicht. Nach kurzem Nachdenken deponierte
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