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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Berger
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Haus zu nehmen.
    «Im Übrigen müsst Ihr Euch gar nicht so aufregen, gelle, Frau Hechtelin. Wir sorgen uns ja ganz umsonst, die Susann wird doch höchstwahrscheinlich bei Eurer Schwester Königin auf der Alten Gass zufrieden im Bett liegen.»
    «Ach, wenn’s doch nur so wäre!»
    «So geht doch einmal nachsehen.»
    Was die Hechtelin sich nicht zweimal sagen ließ und verschwand.
    Die Wetten in der Bierstube standen fünfzig zu fünfzig, als gegen Viertel nach zehn die Hechtelin erneut eintraf, abgehetzt, grau im Gesicht, aufgelöst.
    «Du liebe Zeit, Frau Bauerin, es ist genau wie ich befürchtet hab. Die Ursel hat auch nichts von der Susann gehört oder gesehen. Dann bin ich sogar zu unsrem Bruder gelaufen, und da ist sie auch nicht. Du lieber Himmel, was wird nur mit ihr sein! Sie wird sich doch nichts angetan haben!»
    «Also, Frau Hechtelin, das wollen wir doch nicht annehmen, gelle. Wahrscheinlich ist das Mensch sogar noch hier im Haus. Vielleicht hat es sich bloß in irgendeiner freien Stube ins Bett gelegt. Ich will Euch den Hauptschlüssel herbeischaffen, dann wollen wir nachsehen.»
    Die Bauerin stieg zum zweiten Mal an diesem Abend auf die Bank in ihrer Wohnstube, diesmal, um ihren Hauptschlüssel aus der kaputten Kaffeekanne im Hängeschrank zu entnehmen.
    Als sie in die Bierstube zurückkam, stand die neue Magd Margret neben der fahl auf einem Stuhl sitzenden und an einem Glas Wasser nippenden Hechtelin. Die Magd tat den Mund auf, sobald die Bauerin heran war.
    «Der Frau Bauerin wär es doch sicher recht, wenn ich mitkommen tät zu den Stuben. Ich muss doch das Haus kennenlernen, wenn ich morgen die Betten machen soll.»
    Das war unzweifelhaft richtig, und die Bauerin ignorierte daher den panischen Blick der Hechtelin, der ihr wohl bedeuten sollte, die Gegenwart dieser fremden Zeugin bei dem, was kommen würde, sei alles andere als günstig. In diesem Augenblick hatte die Wirtin einfach partout keine Lust, auf weitere Empfindlichkeiten der Schwestern Brand Rücksicht zu nehmen, die ja jede auf ihre Art schuld waren an der jetzigen Komplikation. Also erlaubte sie der Seyfriedin, sich anzuschließen.
    Wer sich darüber noch ärgerte außer der Hechtelin, das war Schwiegertochter Lieschen Bauerin, geb. Körbel, die nach nur kurzer Entlastung wieder die ganze Bierstub allein an der Backe hatte, wie sie nicht müde wurde, ihrem an einem der Tische Karten spielenden Ehegatten mitzuteilen.
    Die drei Frauen, Bauerin, Hechtelin und Seyfriedin, betraten derweil über die gleich neben der Bierstube abgehende Vorderstiege den dreistöckigen Altbau und schlossen im Obergeschoss die erste Stube auf.
     
    Die Zeit hat aufgehört für die Susann. Sie hat sich überhaupt nicht mehr bewegt, seit sie hier oben sitzt auf der dunklen Hinterstiege im zweiten Stock, frierend und still. Sie würde am liebsten ewig hier bleiben. Es sei denn, sie könnte sich gleich ganz herauswünschen aus der Zeit, dass sie einfach nicht mehr hier und heute sein muss an diesem schrecklichen Moment in ihrem Leben, dass sie direkt in die Zukunft hüpfen könnte, zu einem Punkt Jahre später, wo vielleicht alles vergessen wäre. Nur nicht mehr denken müssen.
    Von ferne dringt der Lärm der Bierstub zu ihr hoch, deren Fenster zum Hof offen stehen. Es ist heut eigentlich ein warmer Tag gewesen. Ihr ist schon nicht mehr ganz so kalt wie vorhin noch.
    Und gerade, als es endlich ganz still geworden ist in ihr, da hört sie aus dem fernen, beruhigenden Stimmengewirr der Bierstube die Bauerin heraus.
    «Frau Hechtelin», brüllt die Bauerin, «das wollen wir doch nicht annehmen.»
    Und kurz darauf, die Susann versteht plötzlich jedes Wort, ist vom Hauptschlüssel die Rede, und dass in den Stuben nach ihr gesucht werden soll.
    Herr Jesus! Ihre Röcke und der Schurz sind getränkt mit Blut. Wenn man sie so findet! Sie sitzt starr vor Angst, obwohl sie doch fliehen müsste, aber was bleibt ihr denn zum Fliehen, sie kann nirgends hin als hoch, nach oben auf den Boden, und da wartet keine Rettung, sondern das Gaubloch auf sie.
    Und dann geschieht ein kleines Wunder. Indem sie hören kann, wie das Suchkommando, statt gleich zu ihr an die Hinterstiege zu kommen, zunächst in den Vorderbau marschiert.
    Gott sei Dank. Jesus sei Dank. Wenn sie sich jetzt in die Küche schleicht und schnell die Kleider wechselt, dann kommt vielleicht alles wieder ins Lot.
    Ganz fest steckt sie ihre Röcke um sich, um nicht eine Blutspur zu hinterlassen, läuft leise die Treppe

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