Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
sie das Holz am Boden und machte sich zurück zum Stall. Sie ließ die Tür weit offen, damit sie mehr Licht hätte, und entdeckte nun gleich mehrere Blutlachen zwischen Tür und Krippe.
Die Wirtin erschauerte. Ihr kam der Gedanke, sie müsse in der Krippe nachsehen, ob da nicht etwas läge. Doch sie hielt an sich, verließ den Stall ohne weitere Nachforschungen und zog die Tür fest zu. Auf dem Weg ins Haus, das Holz im Arm, beschloss sie, den Bonum heut Vormittag noch die Predigergass hinunter zur Hechtelin zu schicken und die holen zu lassen. Sie musste doch einmal nachfragen, wie es mit der Susann weitergegangen war, und das Blut − aber was sah sie jetzt?
«Wen haben wir denn da, die Frau Hechtelin!»
Die bog nämlich eben von der Gasse in den Hof. «Ihr kommt mir sehr gelegen! Ich war schon gerad dabei, Euch rufen zu lassen.»
Die Hechtelin kommt mit in die Stube und erzählt, sie sei eigentlich auf dem Weg in die Alte Gass zu ihrer Schwester Königin, um nach der Susann zu sehen.
Die Bauerin lässt sich auf die Bank nieder, nachdem sie das Holz einfach auf den Boden hat fallen lassen.
«Ja, ist die Susann denn nicht bei Euch?»
«Nein, wie denn, wie soll die denn bei uns sein. Ich hab’s Euch doch erzählt, Frau Bauerin, wie mir der Hechtel zugesetzt hat, von wegen sie käm ihm nicht ins Haus und er würd sie rausprügeln, wenn ich sie ihm anbringen tät. Nein, ich hab die Susann gestern spät noch zur Ursel gebracht.»
«Na! Wie ist es ihr denn noch ergangen?»
«Besser, hatte ich den Eindruck. Jetzt hat sie eine Nacht geschlafen, ich könnt wetten, sie ist heut wieder ganz gesund. Soll ich sie Euch denn gleich wieder mitbringen auf dem Rückweg?»
Die Bauerin seufzt und reibt sich mit der Rechten übers teigige Gesicht.
«Frau Hechtelin, ich muss Euch was sagen. Mir ist gar nicht wohl bei der Sach. Ich hab einen üblen Verdacht.»
«Was habt Ihr?»
Die Bauerin rückt ihrer Freundin dicht ans Ohr. «Ich hab eben eine Straße von Blut gefunden in meinem Holzstall. Blut . Als ob da eine Frau gekreißt hätte.»
«Du liebe Zeit!» Die Hechtelin wird rot und fasst sich ans Herz. «Ja, wollt Ihr denn unterstellen, dass die Susann schwanger gewesen wär! Das verbitt ich mir, Frau Bauerin! Sie hat doch nur ihre Ordinaire bekommen. Da hat sie mir auf dem Weg gestern Nacht noch von geklagt, wie sie so schlimm die Ordinaire bekommen hätt von den Pulvern vom Doktor Burggrave.»
«Das will ich gerne hoffen, dass das nur die Ordinaire war. Aber warum sagt sie uns, sie hat auf der Hinterstiege gesessen die ganze Zeit, wenn sie in Wahrheit im Stall war? Ihr müsst mich verstehen, Frau Hechtelin, dass ich nun einen Verdacht habe, wo ich das viele Blut angetroffen hab in meinem Stall. Das hängt hinterher doch an mir, wenn’s herauskommt.»
«Was soll denn da herauskommen! Du liebe Zeit, Frau Bauerin, Ihr werdet doch wohl nicht in der Stadt herumerzählen wollen, die Susann hätt ein Kind gekriegt! Da wär ich Euch aber böse, wenn Ihr solche Gerüchte in die Welt setztet. Das arme Mädchen hat doch genug auszustehen gehabt von dem Gerede in den letzten Monaten.»
«Nun beruhigt Euch aber wieder, Frau Hechtelin, gelle. Am besten, Ihr geht jetzt wirklich zu Eurer Schwester Königin und seht nach der Susann. Da wollen wir sehen, wie es ihr geht. Ihr könnt sie ja auch einmal befragen wegen des Bluts im Stall. Wir sprechen uns später, wenn Ihr zurückkommt.»
Nach dem Abgang der Hechtelin seufzte die Bauerin müde, und dann beschloss sie schweren Herzens, erst einmal oben nachzusehen, wie sich die Margret beim Bettenmachen anstellte. Danach aber würde sie eigenhändig aus der Waschküche einen Eimer mit Lauge holen und die Blutlachen im Stall unauffällig beseitigen.
FREITAG, 2. AUGUST, NEUN UHR MORGENS
WER DEM TAG noch am ehesten Gutes abgewinnen konnte, war die Königin, die heute viel Gelegenheit fand, sich über anderer Fehlverhalten zu entsetzen und diverse wohlbegründete Tiraden loszuwerden. Zunächst bei der Susann, was aber durch deren ungewohnt apathischen Zustand nicht die rechte Befriedigung brachte. Dann (viel besser!) bei der Hechtelin, die gegen neun eintraf, um fürsorglich nach ihrem der Schwester untergeschobenen Liebling zu sehen und sich sichtlich wand unter den berechtigten Vorwürfen der Königin. Dieser wurde bald noch wohler, als nämlich die bettlägerige Susann auf Befragen der Hechtelin erklärte, es gehe ihr ganz gut (ach! Was hatte sie vorhin noch die Leidende gespielt!),
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