Gretchen
»Ich glaube nicht, dass Sie das wissen wollen«, sagt er freundlich.
Gretchen senkt den Blick zu ihm hinunter. »Stellen Sie mich auf die Probe.«
Archie lehnt sich in seinem Sessel zurück und blickt sie an. Sie hat keine Ahnung, was er gesehen hat. Sie hat die keimfreien Zeitungsberichte gelesen und die Sendungen über wahre Verbrechen im Fernsehen angeschaut, und sie glaubt, sie kann ein paar Wochen mit dem Fall verbringen und dann einen Artikel für eine Wissenschaftszeitschrift schreiben. »Man hat ihm die Gedärme entfernt«, sagt Archie.
Sie legt die Hand an den Mund und wendet den Kopf ab.
»Das ist keine Arbeit für Leute mit empfindlichem Magen«, sagt Archie.
Sie sieht ihn wieder an und lässt die Hand sinken, richtet sich ein wenig auf, wie um sich zu wappnen. »Wie?«, fragt sie.
Vielleicht hat Archie sie unterschätzt. »Gedärme entfernt« brachte die meisten Leute zum Schweigen. »Durch den After«, sagt Archie. »Mithilfe einer nicht identifizierten Saugvorrichtung.«
Gretchens Augenlider flattern. Archie hat vor Jahren aufgehört, Einzelheiten der Taten mit Debbie zu besprechen. Solche Bilder wurde man nicht wieder los. Je weniger man davon im Kopf hatte, desto besser. Er bereitet den Gnadenstoß vor. »Dann hat ihm der Beauty Killer einen Glasstab in den Penis geschoben und diesen zerbrochen.«
Er kann sie atmen hören, kurze, schnelle Stöße, ihre Beklemmung ist mit Händen zu greifen. »Versuchen Sie mich abzuschrecken?«, fragt sie.
»Das ist kein Hobby«, sagt Archie.
»Ich bin keine Dilettantin.«
»Was sind Sie?«
Sie lässt sich auf der Schreibtischkante nieder, setzt eine entschlossene Miene auf und fächert alle Fotos aus dem Autopsiebericht auseinander.
Ihr Körper bebt, während sie die Bilder betrachtet, und ihre Hand geht zu dem sanft geschwungenen Hals. Aber sie schaut weiter. Und nach einer Weile legt sie einen manikürten Finger auf eine vorhergehende Aufnahme von Matthew Fowlers Kopf. »Was sind das für Spuren?«, fragt sie.
Archie wirft einen Blick auf das Bild. »Ein Teil der Kopfhaut wurde chirurgisch entfernt«, sagt er. »Und der Schädel darunter abgeschabt.«
Ihre Augen werden groß und lebhaft. Sie grinst und tippt triumphierend auf das Bild. »Amativität«, sagt sie. »Es ist eine Vorstellung aus der Schädellehre. Das Gehirn ist das Organ des Geists. Verschiedene Kopfregionen haben bestimmte Funktionen.«
Archie blickt auf das Bild. Er spürt ihre Aufregung. Es ist Monate her, seit sie eine gute Spur hatten. »Amativität?«, sagt er.
Sie nimmt seine Hand in ihre, senkt ihren Kopf und legt seine Hand daran, um es zu demonstrieren. Ihre Gefühlsaufwallung – das Fieber ihrer Entdeckung – fließt wie elektrischer Strom zwischen ihnen hin und her. Es ist berauschend. »Diese Stelle hier hinten«, sagt sie und bewegt seine Finger in ihrem Haar zwischen Ohr und Nacken, am Rand des Schädels. Er spürt den knöchernen Hocker hart und warm unter seinen Fingerspitzen. »Das ist der Bauteil für Amativität«, sagt sie. »Er entspricht sexueller Anziehungskraft.«
Archie zieht seine Hand zurück und räuspert sich.
Gretchen streicht ihr Haar nach hinten und hebt den Kopf. »All diese Raserei«, sagt sie, »und Sie glauben immer noch, dass der Beauty Killer ein Mann ist?«
Archie sieht Gretchen an, die kaum einen Meter von ihm entfernt ist, und er weiß, er darf nie zulassen, dass sie an der Ermittlung teilnimmt. Er wird Buddy einfach mit Nein antworten müssen. Es ist zu gefährlich. Aber nicht in der Weise, wie er zuerst dachte.
»Hallo«, ertönt eine Stimme von der Tür.
Archies Herz setzt einen Schlag aus. Debbie.
Er dreht sich um, und da steht seine Frau mit einer Tüte Essen aus dem Imbiss im Eingang.
Sie hält sie hoch und lächelt, und dann sieht sie Gretchen fragend an.
Wie erklärt man das?
»Das ist Gretchen Lowell«, sagt Archie. »Sie ist Psychiaterin. Sie wird uns beraten.« Er schiebt seinen Stuhl zurück, geht zu seiner Frau hinüber und küsst sie leicht auf die Lippen. »Meine Frau Debbie.«
_ 21 _
Archie hatte seine Pille eine Viertelstunde zuvor genommen.
Bettgehzeit auf der Station war um neun. Um halb neun wurden die Sedative ausgegeben. Archie musste nicht lange wach bleiben. Er musste nur länger wach bleiben als Frank. Er hoffte, die fünf Tassen Kaffee, die er seit dem Abendessen getrunken hatte, würden ihm ein wenig Zeit verschaffen.
Anders als normale Medikamente, für die man anstehen musste, wurden die Sedative
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