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Gretchen

Titel: Gretchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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von der Nachtschwester ins Zimmer gebracht. Sie wollten nicht, dass jemand seine Schlaftablette nahm und dann umkippte, bevor er unter der Decke war. Es war jeden Abend dasselbe. Diesmal brauchte Archie einen anderen Ablauf. Frank und Archie lagen in ihren jeweiligen Betten. Franks Licht war aus, Archie ließ seines an. Er las für gewöhnlich noch im Bett, aber er durfte nicht riskieren wegzudösen. Stattdessen legte er sich auf die Seite und lauschte Franks Atemgeräuschen.
    Die Tablette erzeugte ein Wärmegefühl in seinen Adern. Er musste dagegen ankämpfen. Er konzentrierte sich darauf zu blinzeln, die Lider offen zu halten.
    Frank bewegte sich in seinem Bett, er seufzte und schmatzte.
    Frank, der zwei Wochen nach Archie eingetroffen und der immer in der Nähe war, immer in Hörweite.
    Archies Augen fielen zu. Er mochte die Sedative. Von allem, was sie ihm erlaubten, kamen sie der Wirkung von Vicodin am nächsten. Er mochte das Gefühl, wie sein Körper losließ, aufgab.
    Frank holte rasselnd Luft und stieß sie als lang gezogenen Schnarchton wieder aus.
    Archie öffnete die Augen, warf einen Blick zu der Überwachungskamera in einer Ecke des Zimmers und schaltete das Licht aus.
    Ohne Licht war die Kamera nutzlos.
    Er wartete und zählte Franks Schnarchlaute.
    Als er bei zehn angekommen war, stand er auf und tastete sich an der Zimmerwand entlang zu Franks eingebauter Kommode. Er zog die Schubladen langsam und so leise er konnte heraus und durchsuchte sie sorgfältig. Er wusste nicht, wonach er suchte, aber wenn Gretchen ihm selbst ein Handy zukommen ließ, dann konnte sie auch etwas bei Frank eingeschmuggelt haben.
    Aber Archie fand nichts.
    Er kniete nieder und fuhr mit der Hand unter Franks Bett. Frank gab ein neues Geräusch von sich und drehte sich auf die Seite. Archie erstarrte. Und wartete. Als Franks Schnarchen wieder gleichmäßig klang, stand er auf und ging zu seinem eigenen Bett zurück. Er holte das Handy unter der Decke hervor, das er dort versteckt hatte.
    Gretchen ließ ihn seinen eigenen Schatten jagen.
    Archie saß lange da im Dunkeln. Dann blickte er auf das Handy hinunter, markierte die einzige Nummer im Verzeichnis und drückte auf Anrufen.
    Nach dem zweiten Läuten wurde abgenommen.
    Er lauschte eine Weile. Er lauschte nach ihrem Atem, einem Schlucken, einem unfreiwilligen Seufzer. Aber er hörte nichts. Er konnte immer noch auflegen.
    Neben ihm schnarchte Frank friedlich.
    »Bist du da?«, fragte Archie leise.
    Er hörte sie langsam ausatmen, als hätte sie die ganze Zeit die Luft angehalten.
    »Liebling«, sagte sie. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Er hatte ihre Stimme so lange nicht gehört, dass er vergessen hatte, wie hübsch sie war, mit ihrer makellosen Aussprache und den honigsüßen Tönen. Die Wirkung der Tablette verflog. Archie legte sich ins Bett zurück. »Wir hatten eine Abmachung«, sagte er.
    »Ich habe auf deinen Anruf gewartet«, sagte Gretchen.
    »Hier bin ich.«
    »Amüsierst du dich?«, fragte sie.
    Es war ein Spiel für sie, als würde sie einem Hund einen Ball werfen. Sie hielt ihn auf Trab. »Ich gebe dir die Chance, dich zu stellen.«
    Eine Pause. »Und wenn ich es nicht tue?«
    Archie biss die Zähne zusammen und klammerte die Hand fester um das Handy. »Dann komm ich dich holen.«
    »Ah, sehr gut«, sagte sie.
    Sie legte auf, und Archie ließ das Handy unter der Decke auf seine Brust sinken.
    Es war still.
    Frank schnarchte nicht.
    »Frank?«, sagte Archie in die Dunkelheit. »Bist du wach?«
    Frank antwortete nicht. Vielleicht überlegte er, wie er Archie im Schlaf ermorden konnte.
    Archie spürte die schlüpfrige Wärme des Sedativs wieder wirken. Diesmal ergab er sich ihr. Das Letzte, was er wahrnahm, war das Gewicht des Telefons, das noch immer auf seiner Brust lag.

_ 22 _
    Archie erwachte von Schreien und setzte sich kerzengerade im Bett auf.
    Er machte Licht, holte ein paarmal Luft und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Frank schnarchte leise in seinem Bett. Draußen war es dunkel.
    Das Leben auf der psychiatrischen Station bestand im Wesentlichen aus langen Phasen der Langeweile, unterbrochen von Geschrei.
    Schreie in der Nacht? Waren nichts Ungewöhnliches.
    Nur dass dieses Schreien nicht das eines Tobenden war. Das war echte Angst.
    Archie stand auf, zog seine Hausschuhe an und ging zur Tür. Die Patienten durften nachts ihre Zimmer eigentlich nicht verlassen. Das gehörte zu den Dingen, die einem einen Verweis einbrachten und Vergünstigungen

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