Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
wieder da und stärker als je zuvor. Und mit ihr war die Eifersucht gekommen – die Eifersucht auf Kaylan, der in diesem Augenblick mit ihr gemeinsam in der Halle saß. Ian spürte eine ohnmächtige Wut. Die Vorstellung, dass Joanna mit dem Prinzen ins Südland reisen könnte, machte ihn wahnsinnig. Und sie würde mit ihm gehen. Kaylan war der perfekte Gemahl für sie: ein Königssohn, ein ausgezeichneter Kämpfer und ein durch und durch sympathischer Mann. Kein entrechteter, mittelloser Niemand, der sie beschimpfte, belog und verletzte!
Ian rieb sich über das Gesicht. Joanna hatte ihn eben keines Blickes gewürdigt. Warum auch? Sie hatte jetzt einen Prinzen. Er stütze sich an der Wand ab, denn sein Kopf schien zu platzen. So schnell er konnte verließ er die Burg und lief in Richtung Wald.
Erst Stunden später kehrte Ian zurück. In miserabler Stimmung ging er zu den Unterrichtssälen, da er dort mit seinen Freunden zur gemeinsamen Vorbereitung auf die morgige Prüfung in Agrarkunde verabredet war. Vor dem Treppenturm traf er ausgerechnet auf Kaylan, der orientierungslos vor dem Aufgang zum Obergeschoss stand.
„Oh Ian, dich schickt der Himmel! Ich soll Joanna zum Abendessen abholen, aber ich weiß nicht, wo ihr Zimmer ist. Kannst du es mir sagen?“
Ian widerstand der Versuchung, Kaylan den Weg in den Kerker zu beschreiben. „Die Treppe hinauf, dann rechts und sofort die erste Tür, Eure Königliche Hoheit.“
„Es tut mir leid. Ich habe darum gebeten, meine wahre Identität zu verbergen, damit ihr unbefangen mit mir umgeht und ich einen echten Einblick in alles erhalte. Du hast dir viel Mühe mit mir gegeben, dafür bin ich dir ausgesprochen dankbar und würde mich gerne erkenntlich zeigen.“ Kaylan lächelte. „Aber lass uns ein andermal darüber reden, sonst komme ich zu spät zu Joanna. Und Ian“, er hielt kurz inne, „sprich mich bitte weiterhin nur mit meinem Vornamen an.“ Mit diesen Worten ließ er ihn stehen und eilte die Treppe hinauf.
Aufgebracht erreichte Ian den Unterrichtsraum, wo die anderen Studenten bereits vollständig versammelt waren. Während seine Freunde begannen, die richtigen Anbauweisen verschiedener Saatgüter zu wiederholten, setzte er sich abseits und starrte aus dem Fenster. Sein Gesichtsausdruck musste furchterregend sein, denn niemand sprach ihn an.
Doch bei der ersten Gelegenheit kam Laurentin und stellte sich mit entschlossener Miene vor ihn. „Was ist es, Ian? Lady Joannas Rückkehr oder die Tatsache, dass unser netter Kaylan sich als Königssohn entpuppt hat?“
„Er hat sie eingeladen, mit ihm zu gehen.“ Ian sprach aus, was ihm seit Stunden zu schaffen machte.
Laurentin verstand sofort. „Das ist das Gescheiteste, was Lady Joanna tun könnte. Eine bessere Partie wird sie nie mehr machen können, und das weißt du.“ Vor allem, nachdem du sie so unmöglich behandelt hast, fügte er in Gedanken hinzu.
„Ich will nicht, dass sie ihn begleitet!“, rief Ian.
„Das wirst du nicht ändern können.“
Er sprang auf. „Möglicherweise schon.“
„Was hast du vor?“
„Mit ihr reden.“
Laurentin stöhnte. „Das geht jetzt nicht. Es findet gerade ein Festessen zu Ehren von Lady Joannas Rückkehr statt. Aber du bist nicht eingeladen, die lassen dich nicht rein. Also bleib hier!“ Doch Ian hatte den Unterrichtssaal schon verlassen. Laurentin ließ sich auf einen Stuhl fallen. Das konnte nur in einer Katastrophe enden!
Ian stieg die Treppe hinauf und lief zum Festsaal. Wie Laurentin vermutet hatte, standen zwei Diener vor der Tür. Diese würden ihn zwar hineinlassen, da sein enges Verhältnis zu Jake und Joanna allgemein bekannt war, doch da er nicht wusste, wie Joanna auf ihn reagieren würde, wollte er das Gespräch möglichst nicht vor Zeugen führen. Er machte kehrt und verließ die Burg. Es war ein angenehmer Aprilabend und die Gäste würden nach dem üppigen Essen sicher auf den Balkon gehen, um sich die Beine zu vertreten. Vielleicht konnte er sie dort abfangen.
Als Ian im Rosengarten vor dem Balkon ankam, ging er gleich zu der Eiche, deren Äste bis an die Balustrade heran ragten. Der Aufstieg war einfach und bald spähte er im Schutz der Zweige auf die mit Fackeln erleuchtete Freifläche. Tatsächlich entdeckte er dort Joanna, die unweit alleine an der Brüstung stand. Mit einem Satz sprang er auf den Balkon und ging zu ihr. Sie hörte seine Schritte und drehte sich um. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er sofort, dass sie jemand
Weitere Kostenlose Bücher