Greystone Saga: Mit Schwert und Feder: 1 (German Edition)
hatten wenigstens die Krämpfe nachgelassen. Nachdem sie das Abendessen im Bett eingenommen hatte, zog sie ihr Nachthemd an und kämmte ihr Haar. Im Zimmer war es stickig, und so ging sie zum Fenster und öffnete es. Kühle Herbstluft wehte ihr angenehm frisch entgegen. Joanna atmete tief ein und betrachtete den Vollmond, der hell am Himmel stand. Sie ließ den Fensterflügel offen, lief zum Bett zurück und kuschelte sich in die Decken. Hoffnungsvoll nahm sie ein weiteres Buch von Lady Tamara von ihrem Nachttisch. Vielleicht war dieses ja besser als seine Vorgänger. Im Schein einer Kerze begann sie zu lesen.
Nach einer Weile vernahm Joanna ein vertrautes Geräusch und blickte auf. Ian saß im Fensterrahmen. „Oh, hallo“, begrüßte sie ihn erfreut, dann wurde ihr Blick betrübt. „Hat dich meine Nachricht nicht erreicht? Du bist leider umsonst gekommen, ich -“
„Hannah hat mir deine Botschaft überbracht“, unterbrach er sie freundlich. „Sie hat mir gesagt, dass du krank bist und ich wollte wissen, wie es dir geht.“
Ein warmer Schauder lief ihr bei seinen Worten über den Rücken. „Das ist schön. Ich bin nicht krank, du kannst hereinkommen, wenn du möchtest.“
„Sehr gerne.“ Er sprang ins Zimmer und setzte sich auf einen Stuhl neben ihrem Bett. „Wenn du nicht krank bist, was hast du dann?“
Verlegen strich Joanna ihre Haare hinter ihre Schulter zurück. „Ich … ich bin unpässlich und habe diesmal starke Schmerzen dabei.“ Ratlos hob sie die Hände. „Ich kann es mir nicht erklären. Vielleicht hängt es mit dem Korsett zusammen.“
„Dann ist es wirklich besser, wenn du dich schonst.“
„Ja. Leider ist es furchtbar öde, den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Lady Tamara hat mir einige Bücher zukommen lassen, die bei den Damen am Königshof sehr gefragt sind.“ Sie wies auf den Stapel auf ihrem Nachttisch. „Bedauerlicherweise sind diese Wälzer einfach nur langweilig.“ Joanna verzog das Gesicht. „Dagegen sind sogar Galads gesammelte philosophische Werke ein Ausbund an Spannung.“ Sie bemerkte Ians starren Blick. „Was ist los?“
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Mir bereiten Galads Philosophen gerade einige Schwierigkeiten im Unterricht“, gestand er widerwillig.
„Oh nein, daran habe ich noch gar nicht gedacht! Du hast niemanden mehr, der dir bei den Aufgaben helfen kann. Warum hast du nichts gesagt?“
„Es geht schon irgendwie.“
Sie schüttelte den Kopf. „Morgen Abend kümmern wir uns darum.“
Ian setzte zu einer Erwiderung an, da klopfte es an der Zimmertür. Entsetzt sahen sie sich an.
„Joanna, bist du noch wach?“, hörten sie ausgerechnet Jake von draußen fragen.
Geistesgegenwärtig löschte Ian die Kerze mit den Fingern, doch es war zu spät, um aus dem Fenster zu klettern, denn Jake drückte bereits die Klinke herunter.
„Komm“, raunte Joanna ihm zu und hob ihre Bettdecke an. In ihrer Bestürzung fiel ihr nichts Besseres ein. Unter ihrem Bett konnte er sich nicht verstecken, weil dort Truhen standen, und um sich in ihrem Schrank zu verbergen hätte er das gesamte Zimmer durchqueren müssen. Ian verstand sofort und sprang über sie hinweg in ihr Bett.
Jake öffnete die Tür und blieb auf der Schwelle stehen.
„Ich schlafe noch nicht“, ließ sie ihren Bruder wissen. Unauffällig legte sie die Tagesdecke und etliche Kissen auf Ian.
„Darf ich reinkommen?“
Jakes Tonfall entnahm sie, dass sich diese Frage nicht nur auf die späte Stunde bezog, sondern auch auf die Tatsache, dass sie beide seit ihrem Streit vor drei Tagen nicht mehr alleine miteinander gesprochen hatten. Sie biss sich auf die Lippen. Am liebsten hätte sie verneint, doch sie wollte ihn nicht zurückweisen. „Ja, natürlich“, antwortete sie stattdessen und unterdrückte das aufkommende Entsetzen.
„Du brauchst wegen mir keine Kerze anmachen, der Mond scheint hell genug“, sagte er, während er zu ihr ans Bett kam.
Joanna musste an sich halten, um vor Erleichterung nicht laut aufzuatmen. „Setz dich“, forderte sie ihn so ruhig wie möglich auf.
Jake nahm auf dem Stuhl Platz, auf dem vor wenigen Augenblicken noch Ian gesessen hatte. „Geht es dir wieder gut?“, erkundigte er sich.
„Ja, und es würde mir noch besser gehen, wenn du Lady Tamara zum Teufel schicken würdest!“, konnte sie sich trotz der heiklen Lage nicht verkneifen zu sagen.
„Damit hat sich meine nächste Frage, ob du mir noch böse bist, erledigt.“
Joanna sah in das
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