Griechisches Feuer
auf den Lippen, als sie den späten Besucher erkannte, der völlig aufgelöst vor der Tür stand.
"Paula! Was machst du denn hier? Ich dachte, du übernachtest bei Linda!"
Besorgt musterte sie ihre Stiefschwester, die kreideweiß mit tränenüberströmtem Gesicht vor ihr stand.
"Was ist passiert?"
"O Grace ..." Schluchzend stürzte sich Paula in Grace' Arme.
"Gracie, es tut mir so Leid!"
"Leid?"
Verwirrt runzelte Grace die Stirn. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Nur, was hatte das mit ihr zu tun?
Noch nie hatte sie ihre Stiefschwester so aufgelöst gesehen.
Normalerweise war Paula eine selbstbewusste junge Frau. Sie hatte langes schwarzes Haar, blaue Augen und sah verführerisch gut aus, was auch den Männern nicht entgangen war. Sie umschwirrten sie wie die Bienen den Honigtopf. Aber jetzt hatte sie vom Weinen gerötete Augen, und ihr Make-up war verlaufen.
"Paula, Liebes, was ist los?" Beruhigend strich Grace Paula über das lange dunkle Haar. "Was ist geschehen? Komm, setz dich hin, und erzähl mir alles."
"Ich kann nicht", brachte ihre Stiefschwester mit halb erstickter Stimme hervor. "Du wirst... du wirst mich hassen!"
"Dich hassen?" Grace glaubte, sich verhört zu haben. "Was meinst du damit, Paula? Ich könnte dich nie hassen. Du bist meine Schwester."
Sie hatten sich das erste Mal getroffen, als Grace vierzehn und Paula elf gewesen und noch zur Schule gegangen war.
Grace hatte sich immer eine Schwester gewünscht, daher hatte sie das jüngere Mädchen, das nach dem frühen Tod des Vaters und dem anschließenden Umzug der Mutter nach London sehr einsam gewesen war, sofort unter ihre Fittiche genommen. Als Grace' Vater und Paulas Mutter dann später geheiratet hatten, hatte Grace versucht, Paula nicht nur eine Schwester, sondern auch eine Freundin zu sein, was zuerst auch dankbar angenommen worden war.
Aber in letzter Zeit hatte Paula immer mehr Kontakt zu ständig unzufriedenen jungen Leuten aus ihrem Büro, und sie lehnte sich trotzig gegen alles auf und fand, dass ihre ältere Schwester viel zu langweilig sei. Ihre Freundschaft wäre daran beinahe zerbrochen. Doch Grace trug ihr nichts nach, sondern hatte sie immer noch sehr gern.
"Ganz ruhig, Paula, du kannst mir alles erzählen. Wirklich alles."
"Auch wenn es um ihn geht, um Constantine?"
"Was ist mit Constantine?"
Paula nahm Grace' Hände und drückte sie so fest, dass Grace vor Schmerz zusammenzuckte.
"Grace, es tut mir so furchtbar Leid. Aber ich könnte morgens nicht mehr in den Spiegel sehen, wenn ich es dir nicht erzählte. Du bist getäuscht worden."
"Getäuscht? Was meinst du damit?"
"Von deinem so genannten Verlobten. Du musst die Hochzeit absagen. Es kann so nicht weitergehen. Er betrügt dich nach Strich und Faden!"
"Nein!" Nachdrücklich schüttelte Grace den Kopf. Das war doch absurd. "Nein, Paula. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, aber du irrst dich. Constantine würde niemals ..."
"Bist du dir da sicher? Willst du wissen, woher ich das habe?
Nun, ich war sozusagen Zeuge. Dein Constantine hat dich betrogen, und zwar mit mir. Er hat mit mir geschlafen. Und ich war nicht die Einzige!"
"Nein!"
Grace wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie hatte das Gefühl, das Herz würde ihr brechen. Ihr Aufschrei offenbarte ihre ganze Qual.
"Doch", schrie Paula. "Doch, doch, doch. Er ist schon seit Wochen hinter mir her gewesen - immer wieder hat er mir aufgelauert. Ich habe ihm gesagt, dass er mich in Ruhe lassen soll, dass du meine Schwester bist, aber er hat nur gelacht. Ich wollte nicht nachgeben, wirklich nicht, Grace! Aber dann kam dieses Wochenende im Februar, als du deine Mutter besucht hast. Ich war allein zu Hause, da tauchte er plötzlich auf. Ich dachte, er wollte zu dir, doch er sagte ... Er sagte, er wisse genau, dass du nicht da seist. Und dann meinte er, dass, wenn die Katze nicht da sei, die Mäuse auf dem Tisch tanzen würden."
Paula atmete tief durch und unterdrückte ein weiteres Schluchzen.
"Er hatte eine Flasche Wein mitgebracht und mich aufgefordert, sie mit ihm zu trinken."
"Er hat dich betrunken gemacht?" fragte Grace entsetzt.
"Nicht direkt - ich war nur ein bisschen beschwipst. Aber darin hat er mich wieder bedrängt. Er war so hartnäckig. Ich sagte Nein, er sagte Ja. Ich weigerte mich, er lachte nur. Und dann packte er mich und küsste mich. Er ... Er sagte, er wisse genau, wonach ich mich sehnen würde. Mein Widerstand sei nur gespielt. Und ... dass er jede Nacht, wenn er allein in seinem Bett
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