Grießnockerlaffäre: Ein Provinzkrimi (German Edition)
meine geliebte Heimat schutzlos zurücklassen, nur um die depperte Stadtbevölkerung zu bewachen. Andererseits kann man es ja fast direkt verstehen. Wahrscheinlich liegt’s an diesen enorm dicken Mauern. Weil: wenn man sommers wie winters und rund um die Uhr quasi keinen einzigen Sonnenstrahl abkriegt und ständig so vor sich hin fröstelt, ja, da muss man doch krank werden, oder? Also mach ich mich pünktlich auf den Weg zur Dult, um mit dem Karl die Wache dort auf der Grieserwiese zu übernehmen. Und das, obwohl mir ja von Haus aus jegliche Art von Volksfesten unangenehm ist. Also, rein dienstlich natürlich. Der Typ vom Ordnungsamt erwartet uns schon im Behördenhof und überreicht auch gleich brav unsere Bier-und Essensmarken. Wir finden einen großartigen Sitzplatz im Außenbereich vom Bierzelt und machen erst einmal Brotzeit. Die Schweinshaxn ein Traum in Kruste und das i-Tüpferl freilich das wirklich erstklassige Dultbier. Der Wirt sammelt noch nicht einmal unsere Marken ein, spendiert quasi das Mahl zum Wohle und der Sicherheit der Gemeinschaft. Der Dultgemeinschaft wenigstens. Die Musiker fordern jetzt »Die Hände zum Himmel«, dem wir aber aus brotzeittechnischen Gründen nicht nachkommen können. Wahrscheinlich würd es auch überhaupt direkt irgendwie blöd ausschauen. Zwei uniformierte Polizisten auf den Bierbänken stehend mit den Händen zum Himmel. Also bitte.
Nein, was ich eigentlich sagen wollte, Dultwache ist gar nicht so schlimm. Eher gemütlich. Zumindest am Anfang. Nachdem der Bauch voll ist, schlendern wir ein bisserl durch die Budenstraße, und alles ist friedlich. Die meisten haben sich in bayrische Trachten geschmissen, da fühlt man sich gleich mittendrin, statt nur dabei. Kinder quietschen an den Karussellen, einige plärren, weil ausgerechnet ihre Eiskugel aus der Waffel raus und direkt auf den Boden knallt. Anderedrohen an Zuckerwatte zu ersticken. An einer Schießbude erkämpft sich ein ärmelloser Bodybilder, braun wie ein Wiener Schnitzel, Unmengen Plastikrosen für seine nuttige Blondine. Und drüben am Autoskooter lehnen ganz cool schwitzige, pickelige Burschen, die versuchen, albern kichernde Mädels aufzureißen. Genauso wie wir selber vor knapp zwanzig Lenzen. Wie gesagt, alles wie immer und alles friedlich.
Ein bisschen später kommt eine ältere Frau, die ihren Hund vermisst, und eine jüngere vermisst ihren Mann. Und ihre beste Freundin. Den Hund können wir relativ schnell finden, der liegt in seinem Erbrochenen direkt hinterm Würstlstand. Die beiden anderen tauchen dann auch ganz von selber wieder auf. Sie kommen zwanzig Minuten später aus Richtung der Isarauen. Der Rudi und ich hocken uns ein bisschen rauf in die Wache und schauen runter auf das bunte Treiben. Alles ziemlich relaxed. Bis dann einer kommt, der sich beschweren will. Er läutet an der Pforte und der Karl öffnet die Tür.
»Da ist einer draußen, der sich beschwert. Er ist ziemlich besoffen«, sagt er dann zu mir rüber.
»Ja, wegen was beschwert er sich denn so alles«, frag ich und schau weiter aus dem Fenster.
»Er sagt, der Klomann hat ihn nicht reingelassen. Und deswegen hat er sich jetzt in die Hosen geschissen.«
»Dann kommt er hier auch nicht rein«, sag ich und geh zur Tür, um ein Eindringen gleich im Keim zu ersticken.
»Wer kommt hier nicht rein, Eberhofer?«, mischt sich gleich unser Oberdultwachenguru ein und schnäuzt sich dann ausgiebig.
»Da draußen steht einer, der nicht nur den Kragen, sondern auch die Hosen gestrichen voll hat. Der kommt hier nicht rein«, sag ich.
Aber unser Häuptling schiebt mich beiseite.
»Hier wird niemand weggeschickt. Niemand, verstanden«, sagt er ganz diensteifrig.
Gut, dann soll er ihn gefälligst selber übernehmen. Hinten, in seinem eigenen Büro. Hier rein, zum Karl und zu mir, kommt er jedenfalls nicht. Nicht ums Verrecken. Nur dass das klar ist.
»Der wird seine Freude haben«, sag ich so zum Karl, wie die beiden hinter der Tür verschwinden.
»Der ist doch total verschnupft. Vielleicht riecht er es ja gar nicht.«
Oh, doch! Er riecht es. Kaum zwei Minuten später kommen sie nämlich wieder zurück. Der Rotzer hat den Kacker untergehakt und bringt ihn nach draußen. Ohne ein einziges Wort in unsere Richtung.
Wie wir hernach eine weitere Runde durch die Dult drehen, kommen wir wie durch Zufall auch beim Klomann vorbei. Und da muss ich natürlich wissen, wieso er Menschen, die eine Notdurft verspüren, nicht einlässt in seine heiligen
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