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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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in den Knöcheln ihrer Hände, so fest hatte sie ihre Finger ineinandergeschoben. Ihr Blick hing an den schimmernden Rüstungen der Feen, an ihren Streitrössern mit den wachsbleichen Augen und den reglosen, fast gleichgültigen Gesichtern der Krieger, die aus dem Riss des Himmels auf die Erde traten und in gleichmäßigen Schritten vor dem Schloss Aufstellung nahmen. Es waren viele, so viele, und immer noch kamen weitere Feen nach, bis der Strom endlich versiegte und nichts als zuckendes rotes Licht mehr in dem Riss zu sehen war. Die Schneekönigin blickte mit kaltem Lächeln auf die Armee, die sie gerufen hatte.
    »Sie hat die Magie Taras freigesetzt«, flüsterte Mia. Ihr Mund war staubtrocken, und trotz des eisigen Windes spürte sie die Anspannung glühend wie Feuer auf ihrer Haut. »Mit ihrer Hilfe hat sie ein Loch in die Grenze gerissen, und ...«
    Grim warf ihr einen Blick zu. Er schwieg, aber in seinen Augen las Mia, was sie selbst dachte:
Und das ist erst der Anfang.
Sie hörte die Worte der Schneekönigin wie ein tödliches Flüstern in ihrem Kopf:
Morgen Nacht wird er die Grenze auf der ganzen Welt mit Rissen übersäen — und dann wird sie beginnen: die Vernichtung der Menschheit!
    Als hätte die Schneekönigin diese Worte gehört, erhob sie in diesem Augenblick die Stimme. »Krieger der Dämmerung«, rief sie feierlich, während sie den Blick ruhig durch die Reihen der Feen schweifen ließ. »Ihr habt den Weg in diese Welt gefunden — in die Welt der Menschen, wie lasterhafte Zungen sie seit Langem nennen, in Wahrheit jedoch in die Welt der Anderwesen —
unsere
Welt, die Welt der Feen! Ihr seid meine Ersten Krieger, die besten, die es jemals in der Geschichte unseres Volkes gab. Ihr wart es, die mir damals die Treue schworen, als niemand sonst auf meiner Seite stand. Ihr wart es, die in jenen Tagen ihre Heimat verließen, um für einen gemeinsamen Traum in die Schlacht zu ziehen: den Traum von Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk. Und auch jetzt habt ihr eure Heimat hinter euch gelassen, und ich weiß, was das bedeutet. Denn ich kenne die Geheimnisse des Lichtermeers, auf dem einige von euch die glitzernde Stadt Thumonya bewohnten. Ich hörte die sprechenden Winde in den Hochebenen von Rafyn, und ich schmeckte die Würze Braskolons auf meinen Lippen, jener Wüste, die viele von euch geboren hat. Ja, ich weiß, dass ihr vieles hinter euch lassen musstet, um in diese Welt zu reisen — diese Welt, die einst reicher an Zauber war, an Magie, an Geheimnis und Finsternis, als jeder Traum von der Feenwelt, den ihr jemals hattet. Denn in Wahrheit ist dies unsere Heimat, meine Freunde — jeder andere Ort kann niemals mehr sein als ein Exil. Hier verlaufen die Ströme der Uralten Magie, hier ruhen die Geister unserer Ahnen in den Gebirgen, Grüften und Tempeln der Vorzeit, hier liegen die vergessenen Schätze unseres Volkes. Die Menschen haben uns unsere Welt gestohlen, und nun — nun holen wir sie uns zurück!«
    Mia erschrak, als die Feen die Hände zusammenschlugen, krachend und in einer beängstigenden Gleichzeitigkeit. Donnergleich peitschten die Klänge über die Ebene, schneller und schneller, als würden sie auf ein fulminantes Finale zusteuern, das Mia nicht begreifen konnte. Sie starrte auf die Leiber der Feen, über die das blutrote Licht des Schicksalssteins flackerte, und hielt den Atem an, als die Königin den Blick hinauf zu dem Riss wandte, der über dem Schloss klaffte wie eine schreckliche Wunde.
    »Wir ziehen in die Schlacht!«, rief sie und hob die Arme in die Luft. »Und er, mein Höchster Krieger, wird uns führen!«
    Ein gewaltiges Donnern zerriss die Luft, Wolken schoben sich vor den Riss und wurden gleich darauf von einem schwarzen Reiter auf einem mächtigen Streitross zerfetzt, der in wildem Galopp aus dem glutroten Licht sprang. Mia konnte ihn im Flackern der Lichter nicht deutlich erkennen, doch da bäumte das Pferd sich auf. Mit ausschlagenden Hufen stand es auf den Hinterbeinen, der Reiter riss die Faust in die Luft. Blitze fegten über den Himmel, und da sah Mia sein Gesicht. Erstaunt stellte sie fest, dass der Reiter ein Junge war, fast noch ein Kind — aber kein Mensch. Risse zogen sich schwarz und tief über das schneeweiße Antlitz, tümpelgrüne Katzenaugen funkelten zu den Feen hinab, und die breiten Lippen hatten sich zu einem grausamen Lächeln verzogen.
    Da öffnete der Fremde den Mund, und ein Ton kroch über seine Lippen, ein leiser, fast flüsternder Laut,

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