Grim - Das Erbe des Lichts
Tränen ist mehr wert als ein ganzer Schwall deiner Bosheit.«
Damit ließ er das Schwert sinken und wandte sich ab, doch der Fremde stieß einen Schrei aus und wollte sich auf ihn stürzen. Mit hassverzerrtem Gesicht riss er sein Schwert in die Luft. Carven fuhr herum, ohne seine Waffe zu erheben, und schaute dem Jungen in die Augen. »Du bist ein Teil von mir«, sagte er, während der Andere vor ihm erstarrte. »Aber wenn ich es will — bist du nichts!«
Da riss der andere Junge die Augen auf, Licht strahlte aus seinem Inneren und verbrannte ihn in rasender Geschwindigkeit wie eine Hülle aus Papier.
Für einen Augenblick war es totenstill. Grim meinte sogar, die Ascheflocken zu hören, die leise über den Sand der Arena glitten. Carven wandte den Blick, doch er sah nicht Hortensius an, der langsam auf die Beine kam, und auch nicht den König der Zwerge. Er schaute zu Grim herüber, als würde er ihm eine Frage stellen, lautlos und ohne ein Wort zu sprechen. Grim sah die Schatten, die sich in Carvens Augen verloren, und für einen Moment standen sie sich jenseits des Abgrunds in seiner Brust gegenüber, dessen Dunkelheit seltsam belanglos hinter ihnen aufflammte. Grim spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog, als der Junge vor ihm den Kopf neigte. Wie von selbst erhob Grim sich von seinem Platz und schlug die Klauen zusammen, um dem Jungen Tribut zu zollen, der vor seinen Augen sein Leben riskiert und über die eigene Finsternis gesiegt hatte. Sein Beifall durchzog die Arena wie Peitschenhiebe, er spürte, dass Remis ihn mit strahlenden Augen betrachtete. Carven sah ihn mit einem Anflug von Erstaunen an, dann zog ein Lächeln über sein Gesicht. Die anderen Zuschauer folgten Grims Applaus, zuerst ruhig, dann immer lauter, und Grim sah die Anerkennung in den Gesichtern der Zwerge und in einigen Augen sogar winzige Anzeichen von Rührung. Hortensius trat auf Carven zu und zog ihn kurz an sich, und Remis applaudierte so heftig, dass sein ganzer Körper bebte, und pfiff begeistert durch die Zähne.
»Carven«, dröhnte da die Stimme des Königs über die Ränge. »Kind der Menschen! Diese Waffe gehört nun dir.«
Und da, aus der Mitte der Arena, erhob sich ein Podest aus weißem Marmor. Darauf lag ein Tuch aus Seide, sanft glitt der Sand daran hinunter. Grim holte tief Luft. Hortensius' Stimme flüsterte wie eine Erinnerung durch seine Gedanken.
Große Macht birgt große Gefahr in den Händen eines Menschen, das habe ich erfahren. Niemals wieder sollte ein Krieger des Lichts seine Macht entfalten — und sie möglicherweise missbrauchen.
Unwillig schob Grim diese Gedanken beiseite und sah zu, wie Carven sich von Hortensius löste, der ihm auffordernd zunickte.
Mit großen Augen trat der Junge an das Podest heran. Grim meinte seinen Herzschlag zu hören, als er direkt davor stehen blieb. Dann riss er das Tuch zurück und gab den Blick frei auf ein kostbares Schwert. Es bestand aus glänzendem Metall, und auf seinem Knauf prangte ein funkelnder Rubin. In der Klinge waren verschlungene Worte eingraviert, die Grim nicht lesen konnte. Vorsichtig strich Carven über die Waffe, deren Buchstaben kurz auf seinem Gesicht aufflammten. Dann umfasste er das Schwert mit der Hand und hob es über seinen Kopf. Im selben Moment stob ein Strom aus glühender Lava aus der Klinge, schoss in die Nacht der Höhle und brach sich in gewaltigen Feuerfällen, die prasselnd und funkensprühend in die Arena niederstürzten. Deutlich flammten die Worte auf der Klinge des Schwertes auf und wurden von unsichtbarer Hand in allen Farben des Feuers in die Dunkelheit geschrieben. Es waren die Worte der Krieger des Lichts, und Grim meinte, Aldrirs Stimme in seinen Gedanken widerklingen zu hören:
Für die Freiheit der Welt. Denn dafür kämpfe ich: nicht für Mensch oder Zwerg oder Andergeschöpf, nicht für Gut oder Böse, nicht für Tag oder Nacht — nein, nur für eines: Mein Weg ist das Licht!
Die Worte standen in flackerndem Feuer, vereinzelt fielen zischende Funken in die Arena hinab. Und inmitten der Flammen und Farben stand Carven, ein Menschenkind — und der Letzte Krieger des Lichts.
Kapitel 44
ie Laternen über der Half Penny Bridge warfen goldene Lichter auf das schwarze Wasser der Liffey und ließen die Schneeflocken, die lautlos aus der Finsternis des Himmels auftauchten, leuchten wie winzige Sterne. Mia strich mit einem Finger über das Geländer der Brücke und trommelte die Melodie eines Liedes nach, das deutlich aus einem
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