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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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hielten Molly für eine verkleidete Schauspielerin, doch Mia spürte die Kälte der bronzenen Haut, als Molly an ihr vorbeiging, und sie schaute in ihre meergrünen Augen, die mehr gesehen hatten als die Oberwelt der Stadt. Molly Malone lächelte, als sie erkannte, dass Mia sie ansah, es war ein Lächeln, das Mia die Kehle zusammenschnürte und sie gleichzeitig in ein Funkenmeer aus Freude tauchte. Noch nie hatte ein fremdes Anderwesen sie auf diese Weise angelächelt, so herzlich und so — frei. Sie sah Jakob an, und sie wusste, dass er dasselbe dachte wie sie:
So könnte es sein. Wenn die Welten nicht mehr getrennt wären — so könnte es sein.
    Kaum hatte sie das gedacht, schob sich eine Gestalt durch die Menge — eine große, steinerne Gestalt mit gewaltigen Schwingen, ein Engel aus Finsternis. Stolz lag auf seinen Zügen, eine kühle Erhabenheit, wie Mia sie von den Gesichtern antiker Statuen kannte. Ein Ausdruck wie wütender Trotz, ein kindlich-nachdenklicher Schatten flammte in seinen Augen, mit denen er auf die Welt schaute, als wollte er ihr jeden Moment ins Gesicht spucken — und ein Lächeln glitt über seine Lippen, als er Mia sah. Sie lief Grim entgegen, jede Erinnerung an ihren Streit war wie ausgelöscht. Die Lichter der Laternen tanzten auf seiner Haut, als sie ihm um den Hals fiel, und sie hörte sein Herz tief in der Finsternis seiner steinernen Brust wie das Schlagen einer Kirchturmglocke in der Ferne. Sanft strich sie ihm über die Wange und sah die Funken des Feuerwerks, das gerade über den Dächern der Stadt entfacht wurde, in seinen Augen. Die Parade war ins Temple-Bar-Viertel gezogen, die Menschen in ihrer Nähe tanzten zu den leidenschaftlichen Klängen Tomkins, der sich mit einer Brass-Band zusammengetan hatte, und sie standen mitten unter ihnen, der Hybrid und die Hartidin — als Teil ihrer Welt.
    Eine gewaltige Explosion ließ Mia zusammenfahren, doch sie lächelte, da sie die Funken, die in roten Strömen vom Himmel schossen, im ersten Moment für einen Teil des Feuerwerks hielt. Unbeschwert hob sie den Blick — und erstarrte.
    Der Himmel brannte. Als hätte ein gewaltiges Messer den Leib des Firmaments aufgeschlitzt, quollen Feuersbrünste aus sieben klaffenden Schnitten. Der Himmel schlug Blasen wie verbrennende Haut, und Blitze zerfurchten das Antlitz der Nacht mit einer Gewalt, dass Mia meinte, die Welt müsste auseinanderbrechen. Wie aus der Ferne hörte sie, dass der Verkehr Dublins mit einem Schlag zum Erliegen kam. Die Stille, die daraufhin einsetzte, war atemlos. Gleich darauf flackerten die Lichter der Stadt in einem Stakkato aus explodierenden Glühbirnen und erloschen gleichzeitig. Es war, als hätte sich ein Tuch aus Finsternis über die Welt gebreitet. Mia hörte die entsetzten Stimmen der Menschen um sie herum und fühlte Grims Atem, der erschrocken ihre Wange streifte. Da gellte ein Schrei über die Dächer der in Dunkelheit liegenden Stadt, und ein Reiter preschte auf einem fliegenden Panther heran. Die Schwingen des Tieres standen in rotem Feuer und warfen sprühenden Funkenregen über die Köpfe der Menschen, die panisch aufschrien. In wilden Sprüngen jagte der Reiter zum Himmel hinauf, blieb zwischen den Rissen in der Luft stehen und hob die Faust mit einem glühenden Rapier. Mia konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber sie fühlte seinen Blick auf ihrer Haut und hörte seinen Namen in ihrem Kopf widerhallen. Alvarhas war wieder da.
    Noch einmal schrie er, und da sprangen Alben aus den Rissen des Himmels in die Nacht — Hunderte, Tausende von Alben. In rasendem Tempo schossen sie zur Erde hinab und wiederholten Alvarhas' Schrei, der nur eines bedeutete: Tod und Finsternis.

Kapitel 45

    ie Schattenalben rasten auf die Stadt zu wie brennende Kometen, die vom Himmel stürzten. Grim zog Mia an sich, während Theryon und die anderen sich dicht am Geländer in ihrer Nähe hielten. Remis klammerte sich an den Knauf des Schwertes, das Carven auf seinem Rücken trug. Grim spürte die Magie der Himmelsrisse wie Glut auf seiner Haut. Die Zwischenwelt war geöffnet worden, ihre Macht strömte in die Welt der Menschen und brachte deren Gleichgewicht in erschreckendem Ausmaß durcheinander. In Dublin hatte es begonnen. Die Technik der Menschen versagte, binnen weniger Stunden würde die ganze Welt in Dunkelheit versinken und die Sterblichen in einen Zustand nichtsahnender Hilflosigkeit versetzen.
    Die Alben genossen ihren Triumph, kreischend stürzten sie sich auf die

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