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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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verfolgen, während seine Klinge sich in blauem Licht verfärbte. Vereinzelt stoben nebelhafte Klauen aus dem Schein. Grim meinte, zornige Stimmen zu hören wie aus weiter Ferne — die Geister der Verstorbenen, die Bromdurs Zauber zu sich rief. Die Königin riss ein Eisschwert in die Luft und ließ es auf den Jungen niedersausen. Funken sprühten, als Carven im letzten Moment seine Waffe über den Kopf hob, und Grim spürte, wie sich das Schiff gefährlich zur Seite neigte. Die Königin verlor die Kontrolle über ihr Gefährt, das rasch an Fahrt gewann und auf die Häuser Dublins zuraste, doch sie schien es nicht zu bemerken. Mit weit aufgerissenen Augen fixierte sie das Schwert des Jungen, aus dem ein Chor hasserfüllter Stimmen tönte, während immer wieder die Fratzen der Toten durch das blaue Licht brachen und ihre Klauen nach der Königin ausstreckten. Grim hielt den Atem an. Der Zauber Bromdurs stand kurz vor der Entfaltung. Wieder holte die Königin aus, doch Carven sprang mit gewaltiger Kraft seitlich gegen den Mast und entkam ihrem Hieb, der krachend gegen das Schiff schlug und den Mast mitten entzweibrach. Donnernd landete er auf dem Deck, das Schiff schlingerte und rammte zwei Schornsteine, die tosend unter ihm zusammenfielen. Der Bug grub sich durch die Häuserzeilen, als wären sie aus Sand, und zog eine tiefe Narbe durch das Pflaster. Grims Fesseln schnitten ihm ins Fleisch, während Carven und die Königin das Gleichgewicht verloren und von der Wucht des Aufpralls quer über das Deck geschleudert wurden, ehe das Schiff inmitten eines kleinen Parks zum Stehen kam.
    Die Schneekönigin rappelte sich am Bug des Schiffes auf, doch sie blieb halb geduckt mit dem Rücken zu ihren Gefangenen stehen und schwankte, als hätte sie eine schwere Wunde davongetragen. Carven kam neben dem zerbrochenen Mast auf die Beine, mit gestrecktem Schwert trat er auf die Königin zu. Im letzten Moment hörte Grim den Zauber, den sie sprach, er brüllte — doch es war schon zu spät.
    Blitzschnell fuhr die Königin herum, ihre Augen waren pechschwarz geworden — sie hatte ihre Maske fallen lassen. Grim fuhr vor Entsetzen zurück, und doch konnte er den Blick nicht von ihr abwenden. Nie zuvor hatte er in eine Finsternis wie diese geblickt, in einen Abgrund, der alles in ihm verschlingen konnte, ohne dass er auch nur das Geringste dagegen hätte tun können. Diese Dunkelheit war mehr als Kälte und Einsamkeit — sie war der Tod, sie war das Nichts und das Ende der Welt.
    Grim hörte Mia neben sich stöhnen, vernahm auch die Schreckenslaute der anderen, doch noch hatte der Blick der Königin keinen von ihnen erfasst. Sie fixierte Carven, und es war, als würde die Dunkelheit in ihr sie wie eine zerbrechende Vase ausfüllen und nach Carven greifen, der mit einem Schrei des Entsetzens vor ihr zurückwich und wie unter unbeschreiblichen Schmerzen zu Boden ging. Die Dunkelheit in den Augen der Königin schwoll an, schwarze Schemen flackerten über das aschfahle Gesicht des Jungen, der mit weit aufgerissenen Augen in wilder Panik keuchende Laute ausstieß. Schatten stürzten sich aus den maskenlosen Augen der Königin, glitten auf Carven zu und schlugen ihm mit der Kraft ausgewachsener Männer ins Gesicht. Einige schlangen sich um seinen Hals, er sprang auf die Beine und griff im Todeskampf nach seiner Kehle. Grim sah noch sein halb wahnsinniges Gesicht, ehe der Junge vollständig von den Schatten eingehüllt wurde. Grim hörte das grausame Zischen der Schatten und dann, wie aus weiter Ferne, den Schrei eines Kindes. Im nächsten Moment war es totenstill.
    Grim starrte auf die Schatten, er sah, wie die Schneekönigin in grausamer Neugier näher herantrat, und spürte die ohnmächtige Verzweiflung wie eine Welle aus Schmerz in sich aufwallen. Carvens Schrei hallte in ihm wider, er spürte den sterbenden Atem des Kindes vom See auf seinem Gesicht. Er wollte schreien, er wusste, dass er sonst den Verstand verlieren würde, doch noch ehe ein Laut aus seiner Kehle entwichen wäre, kehrten die Schatten in die Augen der Königin zurück.
    Carven stand da wie zuvor. Er hatte die Hände sinken lassen, seine Augen waren geschlossen, tiefe Schatten lagen darunter, und seine Haut war so bleich, dass Grim meinte, nur noch eine von innen ausgefressene Hülle vor sich zu haben.
    »Da seht ihr es«, zischte die Königin. »Er hat den Blick in die Schatten nicht ertragen — den Anblick, den ich Nacht für Nacht erdulden muss.«
    Sie trat den

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