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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Augenblicke brauchen, bis er wieder einen Zauber wirken konnte. Doch diese Zeit gab Alvarhas ihnen nicht. Zischend schleuderte er eine glühende Peitsche vor Grims Füße und trieb ihn mit den anderen auf die Reling zu. »Verschwindet!«, brüllte der Alb.
    Grim stieß rücklings gegen das Geländer, er sah, wie Alvarhas sich nach Hortensius umwandte, der langsam auf die Beine kam und auf die Gruppe zutrat. Haltlose Verzweiflung pochte über das Gesicht des Zwergs, Grim sah Trauer, Wut und Furcht in seinen Augen aufflackern — und spürte die Ruhe, die plötzlich über seinen Körper spülte wie sanfte Wellen. Atemlos sah Grim, wie die Schritte des Zwergs langsamer wurden, bis er kurz vor ihnen stehen blieb.
    Langsam hob Hortensius den Blick.
Eines Tages,
hörte Grim seine Stimme in seinem Kopf,
wird Carven seine Stärke beweisen. Und dann werdet Ihr feststellen, dass Blindheit Euch geschlagen hat und dass in Wahrheit Ihr schwach wart.
Kein Spott lag in der Stimme des Zwergs, keine Wut und keine Trauer. Seine dunklen Augen ruhten auf Grim, und in diesem Moment war nichts anderes mehr darin als ein Licht, klein und flackernd zwar — aber heller, als Grim sich die Sonne denken konnte.
    Grim sah die Tränen, die sich in den Augen des Zwergs sammelten. Keine Spur von Zorn lag auf dessen Zügen, keine Enttäuschung, sondern eine weiche, zärtliche Form von Stolz. Grim spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog, als er kaum merklich nickte. Ein letztes Mal lächelte Hortensius, und Grim meinte, leise die Worte zu hören:
für das Licht.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Alvarhas mit seiner Peitsche ausholte. Im nächsten Moment fuhr Hortensius herum.
    Mit einem Brüllen hob er seinen Streitkolben in die Luft und ließ ihn auf das Deck niedersausen. Augenblicklich rissen die Dielen des Schiffes aus ihrer Verankerung, eine mächtige Erschütterung ging durch das Gefährt und brachte die Schneekönigin und Alvarhas zu Fall. Blitzschnell schoss Grim an ihnen vorbei und griff nach dem Jungen. Die Königin wollte ihn festhalten, ihre Krallen gruben sich tief in Carvens Fleisch und hinterließen blutige Striemen auf seinem Unterarm. Doch ehe sie einen Zauber wirken konnte, stieß Grim ihr die Faust ins Gesicht und fuhr herum. Schwer atmend warf er sich über die Reling in die Nacht, dicht gefolgt von Asmael, der die anderen auf seinem Rücken trug. Krachend eilte ein Albenzauber ihnen nach und hätte sie bei lebendigem Leib verbrannt — wenn er nicht abgefangen worden wäre durch einen mächtigen Schild aus zwergischer Magie.
    Grim raste mit Carven davon, er hörte die Schreie des Jungen und fühlte, dass er weinte. Wie betäubt wich er den Bäumen des Parks aus, durch den sie flogen, doch er sah sie nicht. Vor seinen Augen stand ein Zwerg auf dem Wrack eines Schiffes vor einem schwarz-goldenen Schild. Er stand da wie ein Krieger, seine Waffe emporgereckt, stolz und würdevoll wie der Ritter, der er war. Unnachgiebig hielt er den Wall aufrecht, der seinen Freunden die Flucht ermöglichte, und als sein Zauber splitterte, floh er nicht. Mit erhobenem Haupt schleuderte er seinen Streitkolben nach vorn und traf die Königin an der Schulter, ehe ihr Zauber seinen Brustkorb durchschlug.
    Grim sah, wie die Königin vor ihm zurückwich. Schwankend tat Hortensius noch einen Schritt, dann gaben seine Beine unter ihm nach, und er fiel auf die Knie. Schaudernd sah Grim die tiefe Wunde, die seine Lunge zerfetzt hatte, und spürte das Gift, das gierig seine Eingeweide zerfraß. Keuchend sank Hortensius auf den Rücken, und der Glanz des Nachthimmels spiegelte sich auf seinem Gesicht. Noch einmal sah Grim ihm in die Augen, diese dunklen, warmherzigen Augen voller Zuversicht. Er hörte den letzten Atemzug, sah das Erstaunen, das über das Gesicht des Zwergs flackerte wie eine erlöschende Flamme — und fühlte, wie sein Herz aufhörte zu schlagen.
    Im selben Moment krallte Carven seine Finger in Grims Brust und schrie, so wild und verzweifelt, dass Grim das Blut aus dem Kopf wich. Blind raste er durch die Nacht, in den Armen das weinende Kind, und in seinem Inneren nichts als eine Abfolge von Worten, die dumpf in der Finsternis widerklangen:
    Hortensius war gefallen — der Letzte Ritter der Sterne.

Kapitel 48

    ie Luft in der Christ Church Cathedral war kühl und von einer Erhabenheit, die Mias Tränen in ihren Augen zurückhielt. Das rote Licht des Himmels brach durch die zerborstenen Fenster, legte sich auf die Bänke und den Mittelgang mit

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