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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Leinwand drängte.
    »Niemand weiß, aus welchem Grund die Gargoyles nicht träumen können«, sagte Jakob. »Manche behaupten, dass Gott Luzifers Schöpfung beschädigte, da er eifersüchtig war auf ihre Vollkommenheit — andere sagen, Luzifer sei unfähig gewesen, Leben zu schaffen. Man mag die Legenden glauben oder nicht. Fest steht, dass die Gargoyles bis heute nicht träumen können — und dass sie einen Weg gefunden haben, dennoch zu überleben: mit dem Zepter des Teufels.«
    Wie Schnee in der Sonne schmolz der Nebel, und Mia sah ein kristallenes Zepter, das teilweise von dunklem Stein überzogen wurde. Gleißende Lichter bildeten seinen Stab und strömten wie Wasser in miteinander verschlungenen Streben auf und nieder. Mia spürte die Lichter auf ihrem Gesicht, doch irgendetwas hielt sie zurück, als sie das Zepter berühren wollte. Eine Kälte ging davon aus, die ihr Angst machte.
    »Ob dieses Zepter tatsächlich ein Geschenk des Teufels war, kann ich nicht sagen«, fuhr Jakob fort. »Es gibt mehr Legenden um seine Herkunft, als ein einzelner Mensch in seinem Leben erzählen könnte. Doch eines ist sicher: Es war das mächtigste Artefakt, das jemals geschmiedet wurde. Es verschmolz mit seinem Träger, und nur wenn es freiwillig abgelegt wurde, konnte es von einem anderen aufgenommen werden. Sollte sich ein niederer Gargoyle gegen seinen König wenden und ihn töten, um das Zepter an sich zu bringen, würde er gleichzeitig das Zepter vernichten — und damit seine eigene Lebensgrundlage. Denn mit diesem Zepter konnten die Gargoyles die Träume der Menschen für eigene Träume nutzen.« Er hielt kurz inne. »Aber ihr Unterbewusstsein war nur in begrenztem Maß fähig, mit den Träumen umzugehen. Ein Verdurstender, der nach Tagen in der Wüste zu einer Oase kommt und gierig literweise Wasser trinkt, wird sterben. Sein Körper ist so viel Wasser einfach nicht mehr gewohnt. Während ein Mensch sich nun langsam wieder an die Aufnahme von Flüssigkeit gewöhnen kann, ist es den Gargoyles für immer verwehrt, ihren Durst nach Träumen endgültig zu stillen. Ihr Unterbewusstsein ist wie der Magen des Verdurstenden, nur dass es sich nicht mit der Zeit dehnt. Wie ein zu kleines Gefäß würde es ... nun ja, platzen, wenn es zu viele Träume aufnehmen müsste. Verglichen mit dem Verdurstenden reichen den Gargoyles die Träume, die sie durch das Zepter bekommen, gerade, um ihnen die Lippen zu befeuchten.«
    Mia dachte an den dunklen Schimmer in den Augen der Gargoyles auf den Straßen Ghrogonias. Ob das die Sehnsucht nach Träumen gewesen war?
    »Die Träume allein konnten den Gargoyles ihre Kräfte nicht zurückgeben«, fuhr Jakob fort. »Und auch der Schlaf, der sie notwendig begleitete, war hierfür zu schwach. Doch seit jeher hat der Schlaf einen Bruder. Thanatos nannten ihn die alten Griechen — wir nennen ihn den Tod. Mit seinem Zwillingsbruder Hypnos wohnt er in der Dämmerung — dort, wohin die Strahlen der Sonne niemals gelangen können. Der Legende nach schloss Luzifer mit Thanatos einen Pakt: Wenn die Sonne ihre Strahlen über die Erde schickte, sollten seine Geschöpfe in den Armen des Todes schlafen — doch mit dem Anbruch der Nacht musste er sie gehen lassen. So kommt es, dass die Gargoyles bis heute im Morgengrauen versteinern.«
    Mia dachte fröstelnd an die zu Stein erstarrten Gargoyles auf den Dächern Ghrogonias, und ein Gedicht ging ihr durch den Kopf, das sie irgendwann einmal gelesen hatte.
Do not stand at my grave and weep, I am not there, I do not sleep. I am a thousands winds that blow, I am the diamond glint an snow, I am the sunlight in ripened grain, I am the gentle autumn rain. Do not stand at my grave and cry, I am not there, I did not die.
    »Sie müssen sterben, um zu leben«, sagte Jakob leise. »So sind sie statt Geschöpfe des Lichts mächtige Wesen der Nacht geworden. Und sie geben ihre Kraft weiter, wenngleich sie sich nicht vermehren, wie wir Menschen es tun. Sie hauchen einer steinernen Statue durch ihren Kuss Leben und Magie ein und machen sie so zu einem Gargoyle. Bei der Geburt wird meist auch die Zugehörigkeit eines Gargoyles zu einem Clan bestimmt.«
    Mia sah ihn an. »Was meinst du mit Clan?«
    »Auch heute noch ist sein Clan für einen Gargoyle oft wie eine Familie«, erwiderte Jakob. »Meist gehört der neugeborene Gargoyle zum selben Clan wie sein Schöpfer. Ein besonderer Clan sind die Vulkangeborenen, die im Inneren der Erde geschaffen werden. Bei ihnen gibt der

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